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Montag, 4. Juni 2012

Die Wahl des richtigen Beobachtungsplatzes

Das Teleskop steht bereit, die Nacht verspricht klar zu werden, nur wo stellen wir uns auf um das beste aus der Nacht zu machen?

Gerade am Anfang unterschätzt man die Wahl des Beobachtungsplatzes, da ist zum einen der innere Schweinehund, der uns gerne mal auf dem heimischen Balkon oder dem Garten halten möchte. Warum auch nicht? Der Himmel ist ja überall gleich klar... doch das ist eine Fehleinschätzung und wer einmal von einem "optimalen" Platz aus den Himmel genossen hat, der wird das im Normalfall nicht mehr missen wollen, denn jeder schlechtere Standort macht sich durch einen mitunter drastischen Einbruch in den beobachtbaren Details und der Ausschöpfung des Potentials von Teleskop und Himmel negativ bemerkbar.

Die ersten Jahre habe ich selbst in Ortsrandlage einer Kleinstadt von meine Terrasse aus beobachtet, weil ich es einfach nicht besser wusste - das war passée als ich Anschluss an eine Beobachtergruppe gefunden habe und einen dunklen Himmel kennengelernt habe - ohne diesen Vergleich ist man gewillt auch seinen Garten oder seinen Balkon als tauglich einzustufen. Manchmal mag das auch gehen, wenn man beispielsweise aus Zeitgründen einfach nicht rausfahren kann, aber der Spaß fängt erst ausserhalb der Zivilisation an...



Ein paar Bemerkungen vorab, bedingt durch meine Beobachtungsvorlieben und meinen Standort orientiere ich mich im Folgenden an den Anforderungen bei visuellen Deepsky Beobachtungen und in gewisser Weise zielen die Faktoren der Standortwahl auf eine typische Mittelgebirgsgegend, in der ich nun einmal lebe, ab. An der Küste oder in den Alpen ist daher manches sicher nur bedingt zu realisieren bzw. sinnvoll.

Wovon hängen gute Beobachtungsbedingungen ab?

  • Transparenz des Himmels
  • Dunkelheit des Himmels
  • Seeing
Die Reihenfolge habe ich nicht ganz zufällig gewählt, sondern sie stellt meiner persönlichen Einschätzung nach auch die Wichtigkeit der einzelnen Faktoren dar. Der Grund warum ich das vielbeschworene Seeing ans Ende gestellt habe ist, dass auch wenn das Seeing (die Luftunruhe) wirklich schlecht ist, der Deepsky immer noch genug lohnende Ziele bereit hält, die ohne weiteres auch bei niedrigen Vergrösserungen beobachtet werden können. Da man an geeigneten, dunklen Standorten in der Regel von lokalen Seeingproblemkandiaten wie Schornsteinen und großen bebauten Asphaltflächen (starke Wärmeabgabe in der Nacht!) entfernt ist und meist nur mit dem atmosphärischen Seeing der Luftschichten und eventuell noch dem ganz nahen Seeing im Teleskoptubus zu tun hat, gehe ich darauf nicht weiter ein.

Transparenz

Man kann es vereinfacht mit der Durchsichtigkeit der Atmosphäre gleichsetzen, die Bewölkung ist hierbei nur ein Faktor, natürlich kann eine bewölkte Nacht nicht wirklich Freude machen, doch es gibt sogar Nächte die extrem guten Himmel in Wolkenlücken bieten! Ein weiterer Aspekt der Transparenz ist der Dunst, dies kann zum einen Luftfeuchtigkeit in Form von Nebel sein, aber auch feste Teilchen, also Staub, Pollen und der gleichen. Vor allem über stark bevölkerten Gegenden hängt durch die allgegenwärtige Luftverschmutzung regelmäßig Dunstglocken. Je besser die Transparenz desto lohnender unsere Beobachtungen, jeder Dunstschleier beschert uns natürlich weniger Details weil wir das Objekt wie durch einen Vorhang betrachten.

Dunkelheit des Himmels

Eine Maßeinheit für die Helligkeit von flächigen Deepskyobjekten ist mag/arcsec² . Magnituden pro Quadratbogensekunden. Was wir an Mag(nituden) Angaben in Sternkatalogen und Karten oftmals gezeigt bekommen ist die integrierte Gesamthelligkeit, interessanter ist jedoch die Flächenhelligkeit (surface brightness) die in eben jenen mag/arcsec² angegeben wird. Ein Beispiel: Die Oberflächenhelligkeit des berühmten Ringnebels Messier 57 liegt bei 9,3m jene von der nicht minder bekannten Triangulum Galaxie Messier 33 bei gerade mal 14,2mag (wie sehr da doch die integrierte Helligkeit von üppigen 5,7mag täuschen kann!).


(M33 aufgenommen am 30. August 2009 mit einem 4" f/5 Refraktor)
 
Nun hat auch der Himmelshintergrund eine solche Helligkeit - Je geringer (=dunkler) diese Himmelshelligkeit ist, desto besser der Kontrast zur gleichbleibenden Objekthelligkeit und damit die Sichtbarkeit des Objekts oder ihrer Details.

Seit einigen Jahren gibt es ein Gerät zur Messung dieser Himmelshelligkeit in Form des SQM (-L) Sky Quality Meter . Die Himmelshelligkeit ist in Abhängigkeit der Transparenz und der daran gestreuten bzw. reflektierten Aufhellung durch die künstliche Beleuchtung des Nachthimmels durch unsere Zivilisation, stark schwankend. In Großstädten, hat man teils unter 18m in guten Landhimmellagen zwischen 19,5 und 21,5m und an extrem guten Standorten auch noch merklich darüber! Zwar ist auch dieses Gerät mit Vorsicht zu genießen, weil es nicht alle Faktoren ganz der Realität entsprechend gewichten kann (so kann an Himmel mit schlechter Durchsicht aber keinerlei künstlichen Aufhellung als dunkel ausgegeben werden), aber immerhin bietet es eine vergleichsweise objektive Möglichkeit die Himmelsqualität zu messen.

Himmelsaufhellung 2km von einer Kleinstadt und 15km von einer Großstadt entfernt 



Um nochmal den Effekt zu verdeutlichen was ein dunkler Himmelshintergrund bewirkt hier eine kleine Simulation des visuellen Anblicks von M 42 (Orionnebel) jeweils mit 4" Refraktor bei a.) wirklich schlechten Bedingungen innerhalb einer Großstadt, b.) mauen Verhältnissen wie wir sie in Vorstädten antreffen, c.) unter üblichem Landhimmel und d.) unter merklich besserem Ausnahmehimmel wie er nur an wenigen Standorten innerhalb Deutschlands und auch dort nicht immer anzutreffen ist.

Wie immer sind die simulierten Ansichten mit Vorsicht zu geniessen, der visuelle Anblick lässt sich auch mit Fotos schlecht simulieren, sie geben aber einen guten Eindruck dessen wieder was man unter dem jeweiligen Himmel bei voller Adaption und geschultem Auge erwarten kann.

Großstadthimmel

Vorstadthimmel

Normaler Landhimmel

Extrem guter Landhimmel/Gebirgshimmel

Schon dieser Vergleich dürften jedem klar machen, wie lohnend es ist zum Beobachten von Deepsky Objekten einen dunklen Standort aufzusuchen. Doch wo finde ich die maximale Dunkelheit und Transparenz?

Zum einen ist klar: Jeder Kilometer den wir zwischen uns und große Ballungsgebiete bringen schafft einen besseren Himmel. Und auch wenn wir vieleicht schon etwas abseits von Großstädten leben, können einige wenige Kilometer nochmals viel bewirken, denn auch kleine Ortschaften, die in Nächten mit etwas höherer Luftfeuchtigkeit nachts durch Laternen ect. beleuchtet sind können im Okular sichtbare Qualität beim Beobachten kosten. Ich habe das selbst nicht für möglich gehalten, ich lebe etwa 10km Luftlinie von der nächsten größeren Stadt entfernt und gut 25-35km von der Mitte eines Ballungsgebietes, trotzdem haben bereits zwei Kilometer von diesen Leuchten einen meß- und sichtbaren Effekt, weitere zehn Kilometer bieten dann den Himmel unter dem ich in den allermeisten Nächten beobachte.

Wichtige Faktoren bei der Standortwahl

Wir kennen nun unsere Feinde: Beleuchtung, Dunst und Luftverschmutzung. Schon der gesunde Menschenverstand lässt erkennen, dass wir dem nur aus dem Weg gehen können wenn wir uns von Städten und Ballungszentren möglichst weit entfernen, aber ein guter Beobachtungsplatz braucht noch ein paar andere Dinge:

Höhe:

Die Höhe spielt meiner Erfahrung mit diversen Plätzen nach eine nicht zu unterschätzende Rolle, Luftfeuchtigkeit tritt je nach Ausmaß zuerst in Bodennähe auf, der berüchtigte Bodennebel, das kann man bei uns in feuchten Nächten sehr gut beobachten, während wir die ganze Nacht auf unserem gut 500m hohen Hügel gemütlich beobachten, wabert in den Tallagen der Nebel und auf der Heimfahrt fragt man sich wie man bei der Suppe überhaupt beobachten konnte, die Höhe machts... Wer im Flachland wohnt, der hat meist nicht die Chance in sinniger Entfernung eine größere Erhebung zu finden, aber grundsätzlich sind Gewässergebiete zu meiden, Flüße und Seen sind natürlich Verdunster und generieren gerne Bodennebel.

Südsicht:

Vielfach wird darauf hingewiesen, dass man bei der Wahl des Beobachtungsplatzes auf optimale sprich freie Sicht nach Süden achten soll -  warum eigentlich? 

Beim nächtlichen Lauf des Himmels, kulminieren alle nicht-zirkumpolaren Sternbilder (zirkumpolar = nahe am Polarstern stehend und damit immer über dem Horizont) genau im Süden, das heißt sie erreichen dort ihre maximale Höhe über dem Horizont. Je höher ein Objekt steht, desto weniger wird es von den Aufhellungen und Atmosphäreneinflüssen (Dunst ect.) niedrigen Regionen beeinträchtigt. Das mag bei vielen Sternbildern bzw. deren Objekten nicht so ins Gewicht fallen, wenn wir beispielsweise an den Schwan denken, der ja an seinem höchsten Punkt im Zenit direkt über uns zu sehen ist, jedoch je weiter südlich (in Bezug auf den Himmelsäquator) sich ein Sternbild/Objekt befindet, desto geringer seine Höhe selbst am Kulminationspunkt, als Beispiel sei das Sternbild Skorpion mit seinen Sternhaufen genannte, selbst an seiner höchsten Stellung kommt der Kugelsternhaufen Messier 4 nur auf etwas über 13° Höhe (Beobachtungs Breitengrad ~50°), das ist nur wenig mehr als der Handrücken der ausgestreckten Faust!

Sternbild Skorpion - Erstellt mit Stellarium

Zugänglichkeit:

Es mag sich hier und da nicht vermeiden lassen, aber die Zufahrt zum Beobachtungsplatz ist idealerweise auf legalem Wege zu machen. In den allermeisten Fällen wird man zwar nicht erwischt werden, wenn man mal etwas über einen Feldweg fährt, aber wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, sollte man sich entweder einen Platz suchen, der legal zu erreichen ist oder aber man holt sich eine Genehmigung vom zuständigen Amt oder Grundbesitzer ein um Ärger zu vermeiden. Allgemein ist es oft so, dass Sportplätze von kleinen Orten, die fast immer ausserhalb der geschlossener Ortschaften liegen, über öffentliche Wege zu erreichen sind. Auch sollte man nicht vergessen wie die Straße, die ja wegen ihrer Lage in den allermeisten Fällen im Winter nicht geräumt wird, bei Schnee zu befahren ist. 

Entfernung:

Ein wunder Punkt. Bis wohin macht es noch Sinn einen Platz zu wählen? Lebt man in Mitten eines Ballungsgebietes, muss man zwangsläufig eine längere Anfahrt in Kauf nehmen, wo die persönliche Schmerzgrenze liegt, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ausser dem Spritverbrauch (und der damit einhergehenden miesen Umweltbilanz ;) ) sollte man vor allem bedenken: Eine richtig schöne Beobachtungsnacht kann auch mal länger dauern, vor allem wenn man in Gesellschaft mit anderen Sternfreunden beobachtet. Die Heimfahrt steht aber immer an, egal wie spät es ist und Übermüdung ist ein schlechter Begleiter auf weiten Fahrstrecken! Ich habe es selbst schon des Öfteren erlebt - mein Stammbeobachtungsplatz ist glücklicherweise in etwa 20min zu erreichen, das ist schon fast Luxus, allerdings gibt es in gut 80 Kilometer Entfernung einen Standort, der einen fast unschlagbaren Tophimmel bietet (bieten kann... auch nicht immer). Schon allein die weite Anfahrt "zwingt" einen fast dazu, länger zu bleiben, damit es sich egal wie der Himmel nun auch sein mag, gelohnt hat. Da kann nach etlichen Beobachtungsstunden die lange Heimfahrt schon zum echten Risiko werden - solche Fahrten lieber nur an "besonderen" Tagen mit genug Backup-Schlaf ;)

Gerade wenn man Anschluss an eine lokale Beobachtergruppe findet, lässt es sich aber auch gut einrichten, dass man Fahrgemeinschaften bildet, unerlässlich für die meist immobilen jungen Beobachter.

Reich strukturierte Milchstrasse - ein Indiz für einen guten Standort


Störlicht:

Auch weit Draußen, abseits großer Städte kann man Pech haben und die einzigen zwei Laternen im Umkreis von 10km leuchten einen frech an, das gilt es natürlich zu verhindern (Stichwort Adaption!). Neben der direkten Beleuchtung durch Häuser oder Laternen sollte man auch darauf achten, dass der vorbeifahrende Verkehr nicht dauernd blendet, auch wenn dieser Nachts meist etwas spärlicher ist, kann das schnell nerven wenn man plötzlich von einem Auto in der Kurve seiner Adaption beraubt wird.

Fazit:

Die Masse an Anforderungen an den "optimalen" Platz macht es nicht gerade einfach seinen Platz zu finden, hier und da wird man zwangsläufig Abstriche machen müssen - Es bleibt aber Fakt: Ein dunkler Beobachtungsstandort ist durch nichts zu ersetzen! Auch nicht wie vielfach fälschlich angenommen wird durch ein größeres Teleskop, was man unter sehr gutem Landhimmel mit einem 6" Gerät sehen kann, das kann auch ein 12"er nicht an den Großstadthimmel zaubern. Mitunter werden Schmalband- oder Linienfilter als Lösung angeboten um den Kontrast von ganz bestimmten Objekten auch unter Lichtverschmutzung anzuheben, glaubt mir: Sie sind gut und wichtig aber unter dunklem Himmel brennen diese Objekte erst richtig. Gerade Galaxien mit ihren vielfältigen interessanten Formen sind vor jeder Filternutzung gefeit und brauchen einfach einen möglichst dunklen Himmel.  

Mein Tipp: Sucht Anschluss an bereits bestehende lokale Beobachtergruppen. Zur eigenen Recherche sind die ersten Anlaufstellen Lichtverschmutzungskarten:

An die Karten darf man sich natürlich auch nicht Pixel bzw Kilometergenau halten, hier kann die Realität durchaus abweichen, es bleibt am Ende also nichts anderes übrig als sich bei der Suche nach dem geeigneten Beobachtungsplatz selber auf den Weg zu machen und geeignete Plätze zu erkunden - Es lohnt sich in jedem Fall!




© Benny Hartmann - kommerzielle Nutzung der Fotos/Grafiken ist ausdrücklich untersagt, private Nutzung nach Rücksprache

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