Datum: 21. September 2010
Ort: Taunus
20:45 - 0:15 Uhr
Laufenselden
fst. knappe (!)5m in Umi, fast Vollmond
11° Luftfeuchtigkeit zwischen 80 und 91%
als mich gestern Mittag die Mail von Horia erreichte mit dem (für mich)
wenig erheiternden Titel "Kurze Planetennacht", war ob der Durststrecke
von mir doch klar: Ich fahre raus
Mir war von vorneherein klar, dass die "Planetennacht" für mich schnell
vorbei sein wird und ich mich trotz Praktisch-noch-Vollmond meinen
Lieblingen im tiefen Raum widmen werde, und wieder einmal wurde ich
positiv überrascht was ein transparenter Himmel auch bei diesen
eigentlich widersinnigen Bedingungen leisten kann!
Mein Laser lag sinnigerweise noch daheim, Horia half mit seinem
Cheshire aus, das erste Mal, dass ich komplett nur damit justierte,
aber das Ergebnis konnte sich mehr als sehen lassen. Alsdann ging es in
dieser besonderen Oppositionsnach zu Jupiter, der gestern seine hellste
und nächste Opposition während seines 11,8 jährigen Sonnenumrundung
erlebte, lustigerweise als "zweifacher Hexensabbat" auch noch fast auf
die Stunde zeitgleich mit der Uranus Opposition, der sich nur 2°
oberhalb befand. Jetzt fällt mir als nur sporadischem
Planetenbeoabchter da kein grosser Unterschied zu anderen Oppositionen
auf, Details waren trotzdem allerleckerst und erst im Laufe der Nacht
erschien Ganymed wieder hinter Jupiter, scheee - Uranus war leicht zu finden... tjo der berühmte kleine Klecks halt
Bei der Gelegenheit durfte mein noch nahezu jungfräuliches 8-10mm
ZoomSpeers zum Einsatz kommen, sehr freudvoll, gerne hätte ich jetzt
schon mehr gehabt, denn das Seeing zeigte sich ausserordentlich gnädig!
Doch genug der Steinbrockenguckerei, jetzt wollte ich doch mal sehen
was mir so alles bei dem hellen Himmel vor den Spiegel rutschen will.
Start bei M27, dem Hantelnebel, schon im 22er gut sichtbar trotz der
Mondnähe, mit [OIII] Filter mit logischerweise stark abgedunkeltem
Himmelshintergrund: Begeisternd! Wie in einer leicht
unterdurchschnittlichen Nacht ohne Mond.
Cirrus zier(r)te sich leider, nunja kann man ihm bei der Mondpest auch
wirklich nicht verdenken. Horia hatte den "Rocking Horse" NGC
6910 auf der Liste, also wurde auch diesem ein Besuch abgestattet, der
sonst so recht eindeutige gelbe Farbeindruck der beiden dominanten
Sterne war heute nicht so gut. Ein kleiner Schwenk auf Epsilon Lyrae,
das Verlegenheitsobjekt bei schlechtem Himmel - ja lässt sich noch
trennen mit 12"
Ich verbrachte die nächste Zeit mit den vielfältigen offenen Sternhaufen in Cassiopeia, der Alien NGC
457 funkelte mich mit seinen Augen unvermindert brilliant an, auch das
Häufchen M103 (mit seiner typischen dreieckigen Form) hat sich dem Mond
tapfer widersetzt und nur wenig von seiner Strahlkraft eingebüsst. H+x
sind natürlich Pflichtobjekte, die auch nur wenig mit den
Umgebungsbedingungen zu kämpfen hatten, zum Schluss waren sie auch
freiäugig machbar. Der alte grosse Sternhaufen NGC7789 war da schon
schwieriger, zwar war er ohne weiteres zu sehen, aber da er aus einer
grossen Menge recht schwacher Sterne besteht, fehlte hier heute
eindeutig der Kontrast, interessant - wenn auch nicht verwunderlich -
war der Unterschied zwischen dem Anblick bei mir und Horia, der um
seinen 12"er eine feine Socke hat, fällt bei Mond doppelt auf.
Der Tau ist unterwegs, habe schon schlimmere Nächte erlebt, die Okulare
bleiben bis auf zwei Ausnahme frei (die sich in der Tasche schnell
wieder erholen), die Telradscheibe wird aber sicher 25x geputzt...
Nun werd ich ja doch wagemutig, zu den Paradeobjekten die man bei Vollmond nicht beobachtet: den Galaxien.
Im Perseus peile ich auf NGC
1023 aka Arp 135, natürlich wesentlich schwerer als sonst (sie ist mit
9m5 12m7/arcmin² ja eine Leuchte) aber tatsächlich gut auszumachen wie
sie da an ihrere Sternkette liegt. Davon begeistert, ein kurzer
Schwenk auf unseren kosmischen Nachbarn M31... gleich wieder in die
andere Richtung schwenken, das muss ich mir ja nun nicht antun,
Mindestabstand von etwa 50° zum Mond ist strikt einzuhalten
Der Himmel hält ja noch genug weitere Objekte bereit, ich orientiere
mich im meist ungeliebten (weil unaufäliigen) Draco, hier gibt es eine
vermeintlich sehr interessante Edge-on Galaxie mit dem klingenden Namen NGC
5903, mit etwa 10m ist sie nicht sonderlich dunkel, könnte also gehen,
Sorgen macht mir aber ihre Edge-on Ausrichtung, das macht die Sache
nicht einfacher. Es dauert eine ganze Weile bis ich durch Fieldsweeping
nahe eines hellen Sterns eien Aufhellung bemerke. Hier nehme ich mir
eine Menge Zeit und nach etwa 20-25min lässt sich die wirklich
beeindruckend dünne Spindel ganz nah bei diesem Stern dauerhaft halten
und gar nicht mal so schlecht sehen, Horia bestätigt mir die Sichtung.
Eine Zeichnung ist hier fällig (sowie ein intensiver zweiter Besuch bei
Neumond!). Ähm ja, es ist eine Skizze, Reinzeichnung ist noch nicht
fertig
Der Mond
kriecht derweil immer weiter nach Süden, wir haben vieleicht noch 4m5
im Norden, wenn's hoch kommt... Horia hat M13 und M92 angepeilt, ich
folge ihm und hier zeigt sich mal wieder wie resistent Kugelsternhaufen
von widrigen Bedingungen sind. Selbstverständlich keine
Vom-Hocker-Reisser mehr aber eine Fülle an Einzelsternen lässt sich
trotzdem ohne weiteres beobachten.
Um viertel nach zwölf beginnen wir mit dem Abbau und ziehen unserer Wege.
Und die Moral von der Geschicht'? Bei Mond sitzt man zu Hause... oder auch nicht