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Montag, 4. Juni 2012

Die Wahl des richtigen Beobachtungsplatzes

Das Teleskop steht bereit, die Nacht verspricht klar zu werden, nur wo stellen wir uns auf um das beste aus der Nacht zu machen?

Gerade am Anfang unterschätzt man die Wahl des Beobachtungsplatzes, da ist zum einen der innere Schweinehund, der uns gerne mal auf dem heimischen Balkon oder dem Garten halten möchte. Warum auch nicht? Der Himmel ist ja überall gleich klar... doch das ist eine Fehleinschätzung und wer einmal von einem "optimalen" Platz aus den Himmel genossen hat, der wird das im Normalfall nicht mehr missen wollen, denn jeder schlechtere Standort macht sich durch einen mitunter drastischen Einbruch in den beobachtbaren Details und der Ausschöpfung des Potentials von Teleskop und Himmel negativ bemerkbar.

Die ersten Jahre habe ich selbst in Ortsrandlage einer Kleinstadt von meine Terrasse aus beobachtet, weil ich es einfach nicht besser wusste - das war passée als ich Anschluss an eine Beobachtergruppe gefunden habe und einen dunklen Himmel kennengelernt habe - ohne diesen Vergleich ist man gewillt auch seinen Garten oder seinen Balkon als tauglich einzustufen. Manchmal mag das auch gehen, wenn man beispielsweise aus Zeitgründen einfach nicht rausfahren kann, aber der Spaß fängt erst ausserhalb der Zivilisation an...



Ein paar Bemerkungen vorab, bedingt durch meine Beobachtungsvorlieben und meinen Standort orientiere ich mich im Folgenden an den Anforderungen bei visuellen Deepsky Beobachtungen und in gewisser Weise zielen die Faktoren der Standortwahl auf eine typische Mittelgebirgsgegend, in der ich nun einmal lebe, ab. An der Küste oder in den Alpen ist daher manches sicher nur bedingt zu realisieren bzw. sinnvoll.

Wovon hängen gute Beobachtungsbedingungen ab?

  • Transparenz des Himmels
  • Dunkelheit des Himmels
  • Seeing
Die Reihenfolge habe ich nicht ganz zufällig gewählt, sondern sie stellt meiner persönlichen Einschätzung nach auch die Wichtigkeit der einzelnen Faktoren dar. Der Grund warum ich das vielbeschworene Seeing ans Ende gestellt habe ist, dass auch wenn das Seeing (die Luftunruhe) wirklich schlecht ist, der Deepsky immer noch genug lohnende Ziele bereit hält, die ohne weiteres auch bei niedrigen Vergrösserungen beobachtet werden können. Da man an geeigneten, dunklen Standorten in der Regel von lokalen Seeingproblemkandiaten wie Schornsteinen und großen bebauten Asphaltflächen (starke Wärmeabgabe in der Nacht!) entfernt ist und meist nur mit dem atmosphärischen Seeing der Luftschichten und eventuell noch dem ganz nahen Seeing im Teleskoptubus zu tun hat, gehe ich darauf nicht weiter ein.

Transparenz

Man kann es vereinfacht mit der Durchsichtigkeit der Atmosphäre gleichsetzen, die Bewölkung ist hierbei nur ein Faktor, natürlich kann eine bewölkte Nacht nicht wirklich Freude machen, doch es gibt sogar Nächte die extrem guten Himmel in Wolkenlücken bieten! Ein weiterer Aspekt der Transparenz ist der Dunst, dies kann zum einen Luftfeuchtigkeit in Form von Nebel sein, aber auch feste Teilchen, also Staub, Pollen und der gleichen. Vor allem über stark bevölkerten Gegenden hängt durch die allgegenwärtige Luftverschmutzung regelmäßig Dunstglocken. Je besser die Transparenz desto lohnender unsere Beobachtungen, jeder Dunstschleier beschert uns natürlich weniger Details weil wir das Objekt wie durch einen Vorhang betrachten.

Dunkelheit des Himmels

Eine Maßeinheit für die Helligkeit von flächigen Deepskyobjekten ist mag/arcsec² . Magnituden pro Quadratbogensekunden. Was wir an Mag(nituden) Angaben in Sternkatalogen und Karten oftmals gezeigt bekommen ist die integrierte Gesamthelligkeit, interessanter ist jedoch die Flächenhelligkeit (surface brightness) die in eben jenen mag/arcsec² angegeben wird. Ein Beispiel: Die Oberflächenhelligkeit des berühmten Ringnebels Messier 57 liegt bei 9,3m jene von der nicht minder bekannten Triangulum Galaxie Messier 33 bei gerade mal 14,2mag (wie sehr da doch die integrierte Helligkeit von üppigen 5,7mag täuschen kann!).


(M33 aufgenommen am 30. August 2009 mit einem 4" f/5 Refraktor)
 
Nun hat auch der Himmelshintergrund eine solche Helligkeit - Je geringer (=dunkler) diese Himmelshelligkeit ist, desto besser der Kontrast zur gleichbleibenden Objekthelligkeit und damit die Sichtbarkeit des Objekts oder ihrer Details.

Seit einigen Jahren gibt es ein Gerät zur Messung dieser Himmelshelligkeit in Form des SQM (-L) Sky Quality Meter . Die Himmelshelligkeit ist in Abhängigkeit der Transparenz und der daran gestreuten bzw. reflektierten Aufhellung durch die künstliche Beleuchtung des Nachthimmels durch unsere Zivilisation, stark schwankend. In Großstädten, hat man teils unter 18m in guten Landhimmellagen zwischen 19,5 und 21,5m und an extrem guten Standorten auch noch merklich darüber! Zwar ist auch dieses Gerät mit Vorsicht zu genießen, weil es nicht alle Faktoren ganz der Realität entsprechend gewichten kann (so kann an Himmel mit schlechter Durchsicht aber keinerlei künstlichen Aufhellung als dunkel ausgegeben werden), aber immerhin bietet es eine vergleichsweise objektive Möglichkeit die Himmelsqualität zu messen.

Himmelsaufhellung 2km von einer Kleinstadt und 15km von einer Großstadt entfernt 



Um nochmal den Effekt zu verdeutlichen was ein dunkler Himmelshintergrund bewirkt hier eine kleine Simulation des visuellen Anblicks von M 42 (Orionnebel) jeweils mit 4" Refraktor bei a.) wirklich schlechten Bedingungen innerhalb einer Großstadt, b.) mauen Verhältnissen wie wir sie in Vorstädten antreffen, c.) unter üblichem Landhimmel und d.) unter merklich besserem Ausnahmehimmel wie er nur an wenigen Standorten innerhalb Deutschlands und auch dort nicht immer anzutreffen ist.

Wie immer sind die simulierten Ansichten mit Vorsicht zu geniessen, der visuelle Anblick lässt sich auch mit Fotos schlecht simulieren, sie geben aber einen guten Eindruck dessen wieder was man unter dem jeweiligen Himmel bei voller Adaption und geschultem Auge erwarten kann.

Großstadthimmel

Vorstadthimmel

Normaler Landhimmel

Extrem guter Landhimmel/Gebirgshimmel

Schon dieser Vergleich dürften jedem klar machen, wie lohnend es ist zum Beobachten von Deepsky Objekten einen dunklen Standort aufzusuchen. Doch wo finde ich die maximale Dunkelheit und Transparenz?

Zum einen ist klar: Jeder Kilometer den wir zwischen uns und große Ballungsgebiete bringen schafft einen besseren Himmel. Und auch wenn wir vieleicht schon etwas abseits von Großstädten leben, können einige wenige Kilometer nochmals viel bewirken, denn auch kleine Ortschaften, die in Nächten mit etwas höherer Luftfeuchtigkeit nachts durch Laternen ect. beleuchtet sind können im Okular sichtbare Qualität beim Beobachten kosten. Ich habe das selbst nicht für möglich gehalten, ich lebe etwa 10km Luftlinie von der nächsten größeren Stadt entfernt und gut 25-35km von der Mitte eines Ballungsgebietes, trotzdem haben bereits zwei Kilometer von diesen Leuchten einen meß- und sichtbaren Effekt, weitere zehn Kilometer bieten dann den Himmel unter dem ich in den allermeisten Nächten beobachte.

Wichtige Faktoren bei der Standortwahl

Wir kennen nun unsere Feinde: Beleuchtung, Dunst und Luftverschmutzung. Schon der gesunde Menschenverstand lässt erkennen, dass wir dem nur aus dem Weg gehen können wenn wir uns von Städten und Ballungszentren möglichst weit entfernen, aber ein guter Beobachtungsplatz braucht noch ein paar andere Dinge:

Höhe:

Die Höhe spielt meiner Erfahrung mit diversen Plätzen nach eine nicht zu unterschätzende Rolle, Luftfeuchtigkeit tritt je nach Ausmaß zuerst in Bodennähe auf, der berüchtigte Bodennebel, das kann man bei uns in feuchten Nächten sehr gut beobachten, während wir die ganze Nacht auf unserem gut 500m hohen Hügel gemütlich beobachten, wabert in den Tallagen der Nebel und auf der Heimfahrt fragt man sich wie man bei der Suppe überhaupt beobachten konnte, die Höhe machts... Wer im Flachland wohnt, der hat meist nicht die Chance in sinniger Entfernung eine größere Erhebung zu finden, aber grundsätzlich sind Gewässergebiete zu meiden, Flüße und Seen sind natürlich Verdunster und generieren gerne Bodennebel.

Südsicht:

Vielfach wird darauf hingewiesen, dass man bei der Wahl des Beobachtungsplatzes auf optimale sprich freie Sicht nach Süden achten soll -  warum eigentlich? 

Beim nächtlichen Lauf des Himmels, kulminieren alle nicht-zirkumpolaren Sternbilder (zirkumpolar = nahe am Polarstern stehend und damit immer über dem Horizont) genau im Süden, das heißt sie erreichen dort ihre maximale Höhe über dem Horizont. Je höher ein Objekt steht, desto weniger wird es von den Aufhellungen und Atmosphäreneinflüssen (Dunst ect.) niedrigen Regionen beeinträchtigt. Das mag bei vielen Sternbildern bzw. deren Objekten nicht so ins Gewicht fallen, wenn wir beispielsweise an den Schwan denken, der ja an seinem höchsten Punkt im Zenit direkt über uns zu sehen ist, jedoch je weiter südlich (in Bezug auf den Himmelsäquator) sich ein Sternbild/Objekt befindet, desto geringer seine Höhe selbst am Kulminationspunkt, als Beispiel sei das Sternbild Skorpion mit seinen Sternhaufen genannte, selbst an seiner höchsten Stellung kommt der Kugelsternhaufen Messier 4 nur auf etwas über 13° Höhe (Beobachtungs Breitengrad ~50°), das ist nur wenig mehr als der Handrücken der ausgestreckten Faust!

Sternbild Skorpion - Erstellt mit Stellarium

Zugänglichkeit:

Es mag sich hier und da nicht vermeiden lassen, aber die Zufahrt zum Beobachtungsplatz ist idealerweise auf legalem Wege zu machen. In den allermeisten Fällen wird man zwar nicht erwischt werden, wenn man mal etwas über einen Feldweg fährt, aber wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, sollte man sich entweder einen Platz suchen, der legal zu erreichen ist oder aber man holt sich eine Genehmigung vom zuständigen Amt oder Grundbesitzer ein um Ärger zu vermeiden. Allgemein ist es oft so, dass Sportplätze von kleinen Orten, die fast immer ausserhalb der geschlossener Ortschaften liegen, über öffentliche Wege zu erreichen sind. Auch sollte man nicht vergessen wie die Straße, die ja wegen ihrer Lage in den allermeisten Fällen im Winter nicht geräumt wird, bei Schnee zu befahren ist. 

Entfernung:

Ein wunder Punkt. Bis wohin macht es noch Sinn einen Platz zu wählen? Lebt man in Mitten eines Ballungsgebietes, muss man zwangsläufig eine längere Anfahrt in Kauf nehmen, wo die persönliche Schmerzgrenze liegt, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ausser dem Spritverbrauch (und der damit einhergehenden miesen Umweltbilanz ;) ) sollte man vor allem bedenken: Eine richtig schöne Beobachtungsnacht kann auch mal länger dauern, vor allem wenn man in Gesellschaft mit anderen Sternfreunden beobachtet. Die Heimfahrt steht aber immer an, egal wie spät es ist und Übermüdung ist ein schlechter Begleiter auf weiten Fahrstrecken! Ich habe es selbst schon des Öfteren erlebt - mein Stammbeobachtungsplatz ist glücklicherweise in etwa 20min zu erreichen, das ist schon fast Luxus, allerdings gibt es in gut 80 Kilometer Entfernung einen Standort, der einen fast unschlagbaren Tophimmel bietet (bieten kann... auch nicht immer). Schon allein die weite Anfahrt "zwingt" einen fast dazu, länger zu bleiben, damit es sich egal wie der Himmel nun auch sein mag, gelohnt hat. Da kann nach etlichen Beobachtungsstunden die lange Heimfahrt schon zum echten Risiko werden - solche Fahrten lieber nur an "besonderen" Tagen mit genug Backup-Schlaf ;)

Gerade wenn man Anschluss an eine lokale Beobachtergruppe findet, lässt es sich aber auch gut einrichten, dass man Fahrgemeinschaften bildet, unerlässlich für die meist immobilen jungen Beobachter.

Reich strukturierte Milchstrasse - ein Indiz für einen guten Standort


Störlicht:

Auch weit Draußen, abseits großer Städte kann man Pech haben und die einzigen zwei Laternen im Umkreis von 10km leuchten einen frech an, das gilt es natürlich zu verhindern (Stichwort Adaption!). Neben der direkten Beleuchtung durch Häuser oder Laternen sollte man auch darauf achten, dass der vorbeifahrende Verkehr nicht dauernd blendet, auch wenn dieser Nachts meist etwas spärlicher ist, kann das schnell nerven wenn man plötzlich von einem Auto in der Kurve seiner Adaption beraubt wird.

Fazit:

Die Masse an Anforderungen an den "optimalen" Platz macht es nicht gerade einfach seinen Platz zu finden, hier und da wird man zwangsläufig Abstriche machen müssen - Es bleibt aber Fakt: Ein dunkler Beobachtungsstandort ist durch nichts zu ersetzen! Auch nicht wie vielfach fälschlich angenommen wird durch ein größeres Teleskop, was man unter sehr gutem Landhimmel mit einem 6" Gerät sehen kann, das kann auch ein 12"er nicht an den Großstadthimmel zaubern. Mitunter werden Schmalband- oder Linienfilter als Lösung angeboten um den Kontrast von ganz bestimmten Objekten auch unter Lichtverschmutzung anzuheben, glaubt mir: Sie sind gut und wichtig aber unter dunklem Himmel brennen diese Objekte erst richtig. Gerade Galaxien mit ihren vielfältigen interessanten Formen sind vor jeder Filternutzung gefeit und brauchen einfach einen möglichst dunklen Himmel.  

Mein Tipp: Sucht Anschluss an bereits bestehende lokale Beobachtergruppen. Zur eigenen Recherche sind die ersten Anlaufstellen Lichtverschmutzungskarten:

An die Karten darf man sich natürlich auch nicht Pixel bzw Kilometergenau halten, hier kann die Realität durchaus abweichen, es bleibt am Ende also nichts anderes übrig als sich bei der Suche nach dem geeigneten Beobachtungsplatz selber auf den Weg zu machen und geeignete Plätze zu erkunden - Es lohnt sich in jedem Fall!




© Benny Hartmann - kommerzielle Nutzung der Fotos/Grafiken ist ausdrücklich untersagt, private Nutzung nach Rücksprache

Montag, 8. August 2011

Dunkeladaption und das Sehen bei Nacht

Während wir auf die Himmelsqualität nur einen sehr beschränkten Einfluss durch unsere Standortwahl haben, können wir insbesondere bei der Dunkeladaption für unsere Hauptbeobachtungsinstrumente – unsere Augen – einiges tun um zumindest auf dieser Seite möglichst beste Vorraussetzungen für eine freudvolle Beobachtung der zumeist schwachen Deepskyobjekte zu erreichen.

Unser Auge, das ist den meisten Menschen klar, ist das wichtigste Sinnensorgan, das wir besitzen. Bei der visuellen Deepskyastronomie ist es somit nach dem Teleskop das wichtigste „Ausrüstungsteil“, das wir mit uns führen.










Das Auge wurde während der Evolution in den vergangenen Milliarde Jahren
gleich Dutzende Male „erfunden“, immer wieder auf eine andere Art aber immer mit dem Ergebnis, dass dem zentralen Nervensystem des Lebewesens (über)lebenswichtige Informationen über seine Umwelt mitgeteilt werden. So verwundert es auch nicht, dass so vielfältig wie die Organismen, auch die Leistungsfähigkeiten und Schwerpunkte der Augen in der Natur sind. Nun stand der Mensch nie unter dem Zwang besonders „nachtsichtige“ Augen zu entwickeln um zu überleben, dies wäre auf Kosten unserer Vorteile bei der Tagsichtigkeit gegangen und genau dort lag eben unser Vorsprung vor unseren Fressfeinden. Trotzdem kann das menschliche Auge auch in der tiefen Dunkelheit der Nacht bestimmte Dinge sehen und wahrnehmen, nur eben anders als im Licht des Tages, für das Erkennen von potentiellen Gefahren reichte dieses Nachtsehen aus und ich komme später noch darauf zurück wie wir uns eine oder zwei Besonderheiten dieser Entwicklung auch beim Beobachten am Teleskop noch zu Nutze machen können.

Dazu schauen wir uns einmal ganz grob den Aufbau des Auges auf, vereinfacht besteht er aus dem optischen Teil, also Linse, Pupille, Iris, Hornhaut und Glaskörper die allesamt dafür da sind, den Lichteinfall zu regulieren sowie die Schärfeeinstellung für unterschiedlich weit entfernte Objekte, und dem sensorischen Teil, der das einfallende Licht in elektrische Impulse umwandelt und an unser Gehirn schickt – die Netzhaut mit ihren Sehzellen.
Die Grösse der Pupille bzw. die Iris regelt den Lichteinfall auf die Netzhaut, jeder hat sicher schon oft beobachtet, dass die Pupille in Sekundenbruchteilen kleiner wird wenn helles Licht einfällt und sich dann nach einiger Zeit wieder maximal aufweitet wenn es die Helligkeit, besser gesagt Dunkelheit zulässt.





Dies ist ein kleiner Teil des Adaptionsprozesses, der uns optimal auf das Sehen in Dunkelheit vorbereitet, im Vergleich zum chemischen Adaptionsprozess geht das Öffnen der Pupille recht zügig von statten. Bei Dunkelheit kann sich die Pupille zwischen 6 und 8mm weit öffnen, das ist von Person zu Person unterschiedlich und lässt meist mit dem Alter nach (4-5mm sind in höherem Alter nicht unnormal aber nicht unweigerlich der Fall). Dieser Wert ist nicht unwichtig, denn das „Gegenstück“ zur (Eintritts)pupille (EP) ist die so genannte Austrittspupille (kurz AP) des Okulars, also wie dick der austretende Lichtbündel ist. Vergrössert man die AP des Okulars über die maximal mögliche Öffnung der eigenen Pupille wird Licht verschenkt, weil das Strahlenbündel nicht ganz ins Auge eindringen kann. Unabhängig von der persönlichen EP setzt man deshalb häufig 7mm als maximal sinnvolle AP des Okulars ein.

(Exkurs: Auch wenn ich es in anderen Artikeln schon intensiver behandelt habe, hier nochmal die Formel zur Berechnung der AP eines Okulars: Okularbrennweite in Millimeter geteilt durch Öffnungszahl (f/x) des Teleskops – f/x = Teleskopbrennweite : Teleskopöffnung – Bsp.: 30mm Okular an einem f/5 Teleskop: 30:5=6 -> 6mm AP)





An dieser Stelle ein Wort zu allen Brillenträgern und Menschen mit Sehfehlern: Das ist in aller Regel keinerlei Hinderungsgrund für erfolgreiche Deepskybeobachtungen! Fehlende Sehschärfe (fast egal wieviel Dioptrin) wird beim Fokussieren des Okulars vollständig ausgeglichen und somit ist es auch nicht notwendig beim Beobachten eine Brille zu tragen (das geht mir z.B. so). Leidet man an einer Hornhautverkrümmung, in der Fachsprache "Astigmatismus" ist der Verzicht auf die Brille nicht so einfach, denn die Sternabbildung wird unabhängig von den optischen Komponenten des Teleskops nicht punktförmig sondern verzerrt sein. Je nach Stärke des Astis kann das durchaus stören, so dass die meisten Beobachter mit diesem Problem die Brille die diesen Fehler ausgleicht einfach bei der Beobachtung anbehalten. Am Rande sei erwähnt, dass es auch Zusatzlinsen für bestimmte Okulare gibt, die den Astigmatismus ausgleichen können. Darüber hinaus können diese Sehfehler mit dem Unterschreiten einer bestimmten AP ihre Relevanz verlieren, sprich: Beim Einsatz von kurzbrennweitigen Okularen (= hohen Vergrösserungen) fallen diese Fehler auch ohne Brille nicht mehr ins Gewicht. Wie weit die AP runter muss ist von Person zu Person unterschiedlich, man spricht von 2-3mm.

Die Netzhaut kann man als das Äquivalent zum Chip einer Kamera sehen. Die einzelnen Nervenzellen repräsentieren demnach die Pixel die im Gehirn zu einem Abbild der Umwelt zusammengesetzt werden. Das auch noch sehr gewitzt, denn fast in der Mitte der Netzhaut sind wir eigentlich blind – der so genannte blinde Fleck ist nicht mit Nervenzellen besetzt, weil dort der zentrale Sehnerv die Anbindung an unser Gehirn ermöglicht, dieses gleicht aber diesen „toten Bereich“ durch intensive Rechenleistung aus, so dass wir nie ein „Loch“ in unserem Gesichtsfeld haben. Eine weitere besondere Stelle der Netzhaut ist der „gelbe Fleck“ oder auch Fovea, hier sehen wir mit besonders guten Auflösung und Schärfe, weil sich hier besonders viele Nervenzellen befinden, tagsüber sprechen wir deshalb auch vom fovealen Sehen weil die Sehachse genau dort endet.
Die Nervenzellen der Netzhaut teilen sich in zwei verschiedene Arten. Die Zapfen und die Stäbchen, während die Zapfen für das Farbsehen zuständig sind, erlauben uns die Stäbchen das Dämmerungs- oder Nachtsehen, sie sind um ein vielfaches empfindlicher als die Zapfen. Dies ist auch der Grund, warum wir in der Nacht kaum oder keine Farben erkennen können ("Nachts sind alle Katzen grau")...

Zapfen (farbig) & Stäbchen (grau)

Während die Zapfen eine bestimmte Lichtmenge brauchen um aktiviert zu werden, sprechen die Stäbchen schon auf ein einzelnes (!) Photon an, jedoch wird unser Gehirn nie ein einzelnes Photon melden, das geschieht nur wenn einige benachbarte Zellen mit aktiviert werden (ein Grund warum bei höherer Vergrösserung auch vermeintlich schwache Objekte noch mehr Details zeigen können). Ich bitte zu entschuldigen wenn ich jetzt noch weiter in scheinbar unnötige Details gehe, aber wie wir später noch sehen werden ist das nicht gänzlich unwichtig.

Ein entscheidender Nachteil des Sehens bei Dunkelheit ist, dass in der vorher genannten Fovea (Punkt des schärfsten Sehens mit höchster Auflösung der Netzhaut), nur Zapfen (dafür sehr dicht gepackt) und keine Stäbchen zu finden sind. Nachts sind wir also an dieser schärfsten Stelle des Auges leider auch am unempfindlichsten. Stattdessen müssen wir lichtschwache Details von Deepskyobjekten mit den Aussenbereichen der Netzhaut beobachten, hier sind wir durch die Überzahl an Stäbchen bei Dunkelheit im Vorteil. Allerdings dürfen wir dazu das Objekt das wir beobachten nicht direkt anschauen. Man spricht beim „Danebenblicken“ auch vom indirekten Sehen. Dieses Mehr an Lichtempfindlichkeit erkauft man sich leider mit dem Verlust an Auflösungsvermögen, deshalb ist das gezielte „Festnageln“ von Details eine Frage der Übung. Hierbei muss man für sich selbst durch Übung herausfinden wie weit vom Zentrum entfernt man die besten Resultate erreicht, je weiter man wegblickt, desto stärker wird die Lichtempfindlichkeit aber ebenfalls nimmt die Schärfe weiter ab. Sehr wichtig ist beim Nichtfovealen Sehen ist auch, dass man in die richtige Richtung vom Objekt wegblickt, da der blinde Fleck nicht ganz mittig sondern in Richtung Nase versetzt liegt, schaut man mit dem rechten Auge rechts vorbei und mit dem linken Auge links vorbei.
Eine weitere evolutionär bedingte Besonderheit unserer Augen können wir uns ebenfalls am Teleskop zu Nutze machen: Wir nehmen bei schlechten Lichtverhältnissen bewegte Objekte sehr viel besser wahr als statische, deshalb kann es vor allem bei sehr schwachen Objekten oder Details über Sehen oder Nichtsehen entscheiden wenn wir das Teleskop leicht hin und herschwenken während wir das Gesichtsfeld des Okulars betrachten. Wofür dieses verstärkte Erkennen von Bewegungen aus den Augenwinkeln von essentiellem Vorteil für unsere Urahnen war liegt auf der Hand.
In den Sehzellen (sowohl Zapfen als auch Stäbchen) ist der Sehfarbstoff Rhodopsin eingelagert, trifft nun ein Photon auf die Nervenzelle ändert sich die räumliche Ausrichtung der Atome dieses Moleküls, der Lichtreiz wird weitergegeben. Die dumme Eigenschaft des Rhodopsins ist es nun aber, dass es bei einem ausreichend starken Lichtreiz in Millisekunden zerfällt. Bis sich ein maximales Niveau aufgebaut hat dauert (je nach Quelle) 15 bis 30min. Also braucht unser Körper nach jeder Blendung während des Nachtsehens mehr als eine viertel Stunde bis wir unser optimales Nachtsichtniveau wieder erreicht haben – Das ist der Hauptgrund warum helles Licht der Feind eines jeden visuellen Deepskybeobachters ist!

Nun zerfällt das Rhodopsin glücklicherweise nicht bei jeder Wellenlänge des Lichts genauso schnell. Während das Auge im Bereich zwischen blau und grün (500 nm) besonders empfindlich ist, baut sich das Rhodopsin bei tiefrotem Licht sehr viel langsamer ab, die Blendung nimmt somit ab. Schnell wird so klar warum wir nur rote Lampen mit auf unsere Beobachtungsabende mitnehmen... Das Problem bleibt, dass ein zu helles Licht egal welcher Farbe unsere Nachtsichtempfindlichkeit stark herabsetzt und ein erneutes Adaptieren notwendig macht. Dazu kommt, rot ist nicht gleich rot, natürlich haben die meisten von uns keine Möglichkeit eine Spektralanalyse unserer Lampen zu machen (interessantes hierzu in einem Artikel im Interstellarum Sonderheft Teleskope) aber man sollte schon darauf achten, dass die Lampe ein sauberes rot produziert und keine Violett- oder Orangetöne, somit bekommt man reines Rot viel eher mit roten LEDs hin als mit gefärbten Weisslichtlampen.

Zum Vergleich der verschiedenen Helligkeiten habe ich mal eine Auswahl an Taschenlampen und Rotlichtlampen fotografiert, jeweil 8 Sekunden bei f/5,6 und ISO 400
Lampe 1: Schwache 1x LED Taschenlampe (weiss)

Lampe 2: selbstgebaute 3xLED (rot)
Vergleich Astroklemmlampe (Originalzustand) und Fahrradrücklicht (rot) - Danke an Jan für dieses Foto
(selbe Aufnahmedaten, andere Kamera)
Lampe 3: Schwache (Batterie) 3xLED Taschenlampe mit Nagellack (rot)
Lampe 4: Schwache Astroklemmlampe 1xLED mit Nagellack + Folie (rot)
Realer Anblick der beiden schwächeren Rotlichtlampen bei Nacht (ISO 400 ca. 1s)


Zu den Lampen ist abschliessend zu sagen: Auch die dunkelste blendet dich etwas! Die letzte Lampe in dieser Reihe klemmte nur wenige Tage bevor ich diesen Artikel schrieb auf meinem Zeichenblock, zeigte auf ein Blatt Papier und half mir eine Zeichnung vom Cirrusnebel zu bewerkstelligen - Trotz der wirklich schwachen Funzel, brauchte ich nach dem Einzeichnen von Details oder Sternen immer etwas Zeit bis ich wieder genausoviel sah wie vor dem Blick aufs Papier! Und obwohl sie in einem Winkel neben dem Teleskop stand, der keine direkte Strahlung in Richtung Auge oder Okular schickte, war der Unterschied zwischen ein- und ausgeschalteter Lampe auffällig, sie blieb also immer aus wenn ich mich wieder auf ein Detail im Okular konzentrieren wollte.
Ausser den Leuchten auf die wir zum Blick auf Sternkarten oder Zeichenbretter auch beim Beobachten nicht völlig verzichten können, gibt es aber noch weitere, vermeidbare Störlichtquellen die unsere Adaption zu Nichte machen können. Als erstes sind das natürlich direkte Blendungen durch Häuser, Laternen und vorbeifahrende Autos. Schon bei der Wahl des Beobachtungsplatzes bzw. der Stelle am Platz kann man das vermeiden. Ist man durch Garten, Terrasse oder gar Balkon dazu gezwungen Kompromisse einzugehen, sollte man trotzdem mit allen Mitteln versuchen direkte Blendungen auszuschalten, das ist an erster Stelle natürlich das Licht in der eigenen Wohnung, andere Blendquellen lassen sich eventuell mit Tüchern oder aufstellbaren Wänden abblocken oder zumindest mindern.



Eine weitere vermeidbare Quelle zur Zerstörung unserer wichtigen Adaption ist die inzwischen verbreitete (Un)Sitte alles und überall „paperless“ zu managen. Anstelle von Atlanten und ausgedruckten Sternkarten wird gerne das Smartphone oder gar eine Note- oder Netbook gezückt. Es steht selbstverständlich ausser Frage welche Vorteile das Mitführen komplexer Sternkartensoftware bringt. Die Frage die man sich beantworten muss ist, ob man gewillt ist diesen durchaus nachvollziehbaren Wunsch nach Annehmlichkeit mit dem unweigerlichen Verlust an Beobachtungsqualität zu bezahlen. Auch „Nachtmodi“ in diesen Programmen führen immer zu einer weitaus höheren Blendung und Herabsetzung des Nachtsichtfähigkeit als das Benutzen einer schwachen Lampe mit Kartenmaterial (selbst ein schwarzes Display leuchtet noch wesentlich heller als eine Rotlichtlampe). Ein Weg, den vor allem Astrofotografen wählen, ist das Display mit tiefroter dicker Folie abzudecken (im Astrohandel erhältlich). Als visueller Beobachter würde ich aber von dieser vermeidbaren Quelle abraten, Computer und Smartphone für die Astronomie nutze ich selber ständig und auch sehr gerne, aber eben nicht auf dem Feld wo ich versuche möglichst viel im Okular zu erkennen. Einige Hoffnungen diese scheinbar unvereinbaren Welten zusammenzuführen setze ich in die so genannten eInk Displays wie man sie heute schon in Ebookreadern findet, sie haben keine aktive Beleuchtung und verhalten sich im Prinzip wie Papier. Leider sind sie bisher a.) noch relativ teuer in ausreichender Grösse und b.) noch nicht in Geräten eingebaut die Astronomiesoftware unterstützen.

Smartphone 1: Helligkeitsstufe 2/5 normales (dunkles) Hintergrundbild
Smartphone 2: Niedrigste Helligkeitsstufe (1/5) mit rot/schwarz Bild ("Nachtmodus")


Zu guter Letzt komme ich auf die Möglichkeit des „Sehdopings“ zu sprechen, keine Angst hier müssen keine illegale, potentiell gefährliche Substanzen eingenommen werden, das Gegenteil ist der Fall! Was gemeinhin als gesund gilt ist auch gut für das Auge – Vitamin A ist besonders wichtig für unser Auge, ein eklatanter Mangel führt zu Nachtblindheit. Möhren können also schonmal nicht schaden ;) Ausser diesem ohnehin wichtigen Stoff für unser Sehen gibt es etwas, das ganz gezielt die für das Nachtsehen so wichtige Rhodopsinproduktion ankurbelt: Anthocyane. Was zunächst gefährlich klingt sind schlicht natürliche Pflanzenfarbstoffe, besonders reichlich vorhanden in Heidelbeeren. Eine persönliche Einschätzung der Wirksamkeit kann ich nicht abgeben, es gab aber einen (wissenschaftlich gewissenhaft durchgeführten) Versuch vom Amateurastronomen Uwe Pilz, der damit eine Verbesserung der Dunkelsichtigkeit bei allen Probanten nachweisen konnte. Wie stark diese ausfällt ist allerdings von Person zu Person unterschiedlich. Den Wirkstoff bekommt man tatsächlich in der Apotheke in Tablettenform zu kaufen, ich selbst konsumiere aber lieber direkt das Naturprodukt ;) Zwar ist es nicht Jedermanns Sache ein ¾ bis 1 Glas Heidelbeeren zu essen, aber schaden tut es in keinem Fall und lecker ist es noch dazu (3-5 Stunden vor der Beobachtung).



Fast noch wichtiger als solche „Hilfsmittelchen“ ist es aber auf bestimmte andere Stoffe zu verzichten wenn eine ernsthafte Beobachtung ansteht. So setzt bewiesener Massen der Konsum von Alkohol und Nikotin das Sehvermögen herab. Ich bin selbst Raucher und es fällt mir auch nicht leicht auf den Glimmstengel zu verzichten, aber der Effekt ist messbar vorhanden! Dazu noch ganz wichtig: Ausgeschlafene Augen sehen mehr als übermüdete, das weiss jeder Autofahrer der in den späten Abendstunden noch unterwegs
ist (und davon können die meisten Amateurastronomen ein Lied singen...).


© 2011 Benny Hartmann