Donnerstag, 15. November 2007

Alle Jahre wieder - Das Teleskop unterm Weihnachtsbaum

Insbesondere in der Zeit vor Weihnachten häufen sich in den einschlägigen Astronomie-Foren die Anfragen zu diversen Einsteigerteleskopen, sei es um einem latent astronomieinteressierten Freund oder Verwandten ein Geschenk zu machen oder selber einen Wunschzettel zu schreiben, die Weihnachtszeit ist die Hochzeit des Teleskopverkaufs. Obwohl praktisch die selben Teleskope das ganze Jahr über zu kaufen sind scheint die (Vor)Weihnachtszeit das Interesse noch stärker zu wecken. Jeder dieser Anfrager hat schon mal eine Sache goldrichtig gemacht, nämlich sich in einem Forum anzumelden und erfahrenere Sternfreunde um Rat zu fragen, der überwiegende Grossteil macht dies sicher nicht und vieleicht erreiche ich mit diesem kleinen Artikel wiederum einige dieser Leute. Wenn in diesem Artikel Fachbegriffe fallen, die ich nicht im Text erkläre, dann kann man sie über das Menü links im Astrolexikon nachlesen (falls nicht, wäre ich über eine e-mail dankbar).

(aus aktuellem Anlass erscheint es mir sicherer keine Markennamen zu nennen, privat per e-mail können wir uns sehr gerne darüber austauschen)____________________ und wie sie alle heissen mögen, diese Geräte scheinen zunächst mal viele Interessierte anzuziehen, dies hat auch seinen Grund: Der Preis und die überschwengliche Bewerbung dieser Instrumente. Ich werde im Nachfolgenden auf keine Marke im Speziellen eingehen, aber auf Anfrage bei mir via e-mail gebe ich auch gerne Tipps zu speziellen Angeboten.  Nach Markennamen sollte man kein Teleskop kaufen (zumindest nicht im unteren Preissegment) wobei aber ein Grossteil der oben genannten Marken keinen guten Ruf haben und das nicht zu Unrecht. Doch beginnen wir mit der Bewerbung und was sie wirklich aussagt.

Das "700mm Teleskop"

Oft wird mit solchen Angaben geworben, hier wird aber nur die Brennweite des Teleskops angegeben, eine äusserst sinnlose Art ein Teleskop zu beschreiben, denn es sagt praktisch nichts über die Leistungsfähigkeit aus, denn Brennweiten zwischen 300 und 1500mm sind in sämtlichen Preissegmenten vorhanden - von 15€ bis 15.000€ ;-) 
Wer sich nur minimal mit der Materie auskennt wird bei einer solchen Aussage vieleicht denken die Öffnung (also der Spiegel oder Linsendurchmesser) würde 700mm betragen das wäre dann ein 28" Gerät. das in Deutschland nur sehr selten, und wenn dann nur als Selbstbau, anzutreffen ist, weil dafür bereits eine gehobene Mittelklasselimousine gekauft werden könnte. Wir sehen also die Brennweite ist zwar eine nicht unwichtige Kennzahl eines Teleskops aber keinesfalls ein Qualitätskriterium. Ein anderer Trick ist die übliche Bezeichnung Öffnung/Brennweite (also z.b. 114/900) einfach umzudrehen, auch hier sollte man stutzig werden.

2.250.000 Sterne sichtbar?

Einige Hersteller bewerben ihr Teleskop mit  der theoretisch sichtbaren Menge an Sternen, eine Praktik die sich mir immer noch nicht erschliesst, dieser Wert hängt nämlich in nicht unerheblichen Masse von der (natürlich nicht beeinflussbaren) Himmelsqualität am Beobachtungsstandort ab! So liegen zwischen einem aufgehellten Stadthimmel und einem sehr dunklen Land- oder gar Alpenhimmel drei oder sogar vier Grössenklassen die sich auf die Sichtbarkeit von Sternen und anderen Objekten am Himmel immens auswirken! Berechenbar ist zwar der so genannte Grössenklassengewinn der dann aber mit den tatsächlichen Gegebenheiten am Himmel zusammengebracht werden muss. Auch hier müssen wir also feststellen: Kein Qualitätskriterium.
Teleskop - 600x Vergrösserung
Die Vergrösserung, das wohl beliebteste Werbeargument, vermittelt eine hohe Vergrösserung doch das Gefühl besonders "weit" schauen zu können, ein Qualitätsmerkmal? Nein, im Gegenteil, wer mit Vergrösserungen wirbt hat entweder keinerlei Ahnung davon was er verkauft oder er geht natürlich bewusst davon aus, dass es als besonders hochwertig angesehen wird. Doch die Vergrösserung eines Teleskops ist eine rein physikalische Grösse die keinerlei Aussage über Qualität oder Abbildung macht, praktisch jedes Teleskop kann man mit Vergrösserungen bis sagen wir mal 1000x betreiben. Wie das? Die Vergrösserung berechnet sich durch die Formel Teleskopbrennweite/Okularbrennweite. ein 76/700 Teleskop bringt mit einem 10mm Okular also 70x Vergrösserung. Durch den Einsatz einer sogenannten Barlowlinse die die Teleskopbrennweite künstlich um den Faktor 2, 3 oder gar 4 verlängert lässt sich jede beliebige Vergrösserung erreichen. Beispiel: 76/700 Teleskop + 2x Barlowlinse + 4mm Okular = (700x2)/4 -> 1400/4 = 350x Vergrösserung. Doch was bringt uns das? Rein gar nichts. Denn zum einen sind sehr viele Objekte die wir am Himmel beobachten können bei Weitem nicht so klein wie man sich das oft vorstellt (die Andromedagalaxie beispielsweise ist nicht weniger als sechs (6!) Vollmonddurchmesser gross) und zum Zweiten beschränkt das theoretische Aulösungsvermögen eine Teleskops die maximale sinnvolle Vergrösserung. Bei sehr guten Geräten nimmt man als Faustformel die doppelte Öffnung als Grundlage, bei durchschnittlichen Geräten (von denen sprechen wir hier im Einsteigerbereich) maximal das anderthalbfache der Öffnung. In unsererm Beispiel mit dem 76/700 Teleskop wäre also die maximale sinnvolle Vergrösserung bei 114x erreicht. also etwa mit einem 6mm Okular. Was passiert wenn wir darüber vergrössern? Das Bild zeigt keine weiteren Details sondern wird im Gegenteil immer "matschiger" so dass weniger zu sehen ist als bei kleineren Vergrösserungen. Des Weiteren sind ausser den Planeten unseres Sonnensystems die meisten Objekte die wir beobachten relativ dunkel, je weiter wir vergrössern, desto dunkler erscheint uns das Bild im Okular, die so genannte Austrittspupille wird immer kleiner (Der Begriff Austrittspupille kurz AP wird z.B. hier erklärt). Also können wir die angepriesene Vergrösserung eines Teleskops ruhigen Gewissens als Qualitätsmerkmal ad acta legen.
 
Hochleistungsokulare, Profiteleskope und andere Superlativen

Jedermann sollte misstrauisch werden wenn ihm solche Phrasen bei einem Teleskop zwischen 20 und 200€ begegnen, niemandem würde einfallen bei einem billigen Kleinstwagen die Bewerbung als Oberklasselimousine ernst zu nehmen, bei Teleskopen liegt das mangels Erfahrung mit der Materie meist anders. Die vermeintlichen Hochleistungsokulare oder wie sie auch immer genannt werden sind in sehr vielen Fällen so genannte Huygens Okulare oft auch zu erkennen an dem Buchstaben "H" vor der Brennweite (z.B. H-20). Dieses Okulardesign ist sehr einfach und meist von minderer Qualität, nur soviel: Benannt ist dieses hochaktuelle Hochleistungsokular nach seinem Erfinder Christiaan Huygens der im Jahre 1695 starb ;) Der Vollständigkeit halber: Es gibt auch ausgesprochen gute Exemplare dieses Typs diese sind aber praktisch nicht mehr erhältlich und mit Sicherheit nicht in Verbindung mit einem Massenprodukt. Was ist bitte ein Profiteleskop? Ein Teleskop mit dem professionelle Berufsastronomen arbeiten? Eher nicht, die kosten schon einige Millionen. Ein Teleskop für den semi-professionellen Amateurbereich? Auch hier reden wir von Teleskopen die zumindest einige Tausend Euro kosten. Auch hier gilt: Finger weg wer mit solchen Aussagen wirbt.
150/1400 - 114/1000 - 76/700 - 60/700 - Aldi - Lidl - ebay - Händler - Was denn nun?
Die Zahlen in der Überschrift geben ja wie wir bereits eingangs gelernt haben die Öfnnung und die Brennweite an, welches ist nun das richige? Diese Frage kann man pauschal einfach nicht beantworten, wenn es um einen gelungenen Einstieg geht auf jeden Fall keins der genannten - warum? Beginnen wir mal mit den "dickeren" Geräten, also mit Öffnungen von meist 114mm (4,5") oder gar 150mm (6"). Diese Grössen sind in der Tat gut für den Einstieg mit nicht allzu grossem Budget geeignet, doch nicht in den Brennweiten die oben angegeben sind. Wirft man einen genauen Blick auf die abgebildeten Teleskope sollte man bei einer Sache stutzig werden: Die angegebene Brennweite kann unmöglich mit der ungefähren Baulänge übereinstimmen, denn obwohl 1,40 Meter Brennweite (1400mm) angegeben sind, sehen die Geräte kurz und dick aus. Die Lösung des vermeintlichen Rätsels liegt in der Bauweise dieser Teleskope, der Spiegel hat im Prinzip nur die Brennweite der kürzeren Baulänge aber durch eine Linse im Strahlengang (meist im Okularauszug) wird die Brennweite künstlich verlängert. Das wird aus zwei Gründen gemacht: Ist das Teleskop kurz, kann man es auf eine leichtere (und billigere) Montierung setzen, die ein Teleskop mit einem grossen Hebel nicht sicher tragen würde (aber meist sind die mitgelieferten Montierungen auch mit den kurzen Teleskopen bereits überlastet). Der zweite Grund ist der, dass man die Brennweite verlängert wird weil der Spiegel nur ein so genanter sphärischer Spiegel oder auch Kugelspiegel ist, diese Spiegel sind leichter und billiger zu schleifen haben aber eine schlechte Abbildung wenn das Öffnungsverhältnis (Öffnungsverhältnis = Brennweite/Öffnung - z.b. 700/76 = 9,2 -> f/9,2 - siehe Artikel 'optische Theorie') zu "schnell" ist, also z.B. f/4 oder f/5. Bei "langsameren" Öffnungsverhältnissen wie f/8 oder f/10 fällt dieses Problem nicht mehr weiter auf, deshalb wird durch dir künstliche Verlängerung der Brennweite ein langsameres (man sagt auch kleineres) Öffnungsverhältnis erreicht. Das Ergebnis ist jedoch qualitativ nicht das gleiche wie bei einem Spiegel ohne Korrektorlinse der bereits auf diese tatsächliche Brennweite geschliffen wurde. Um das Unglück komplett zu machen ist die (ab und an nötige) Justage eines solchen Teleskops eine wirklich harte Nuss und für einen Einsteiger nicht zu schaffen - Also FInger weg von solchen so genannten katadioptrischen Teleskopen in diesem Preissegment.

Das unter Dutzenden Marken und Namen angebotene 76/700 Spiegelteleskop gibt es unter anderem jedes Jahr beim Kaffeeröster Tchibo (als Marke TCM), was ihm seinen Spitznamen "Tchibotorpedo" oder einfach nur "Tchibo"  eingebracht hat. Ich konnte das originale TCM Teleskop in der aktuellen Ausführung des letzten Jahres (2006) ausführlich testen, insbesondere auch gegen den Mitbewerber das beliebte "Lidl" Teleskop (Bresser Skylux) 70/700, das mit ähnlichen Rahmendaten allerdings als Linsenteleskop daherkommt. Optisch kann man hier wohl sogar Glück haben (eine Qualitätsstreuung ist auf dem Teleskopmarkt fast immer vorhanden, zumindest in den unteren bis mittleren Preisklassen) und ein durchaus brauchbares Exemplar erwischen das von seiner optischen Leistung her dem 70/700 Linsenteleskop ebenbürtig ist. Das Instrument krankt jedoch an einem anderen Problem, die azimuthale (also einfach nach oben und unten sowie im Kreis schwenkbar) Montierung auf der das Teleskop sitzt ist wackelig und hakelig, Beobachtungsspass mag da nicht recht aufkommen, wenn das Bild im Okular beim fokusieren (scharfstellen) so stark wackelt, dass sich das Bild erst beruhigt wenn das Objekt (z.B. ein Planet) schon wieder aus dem Gesichtsfeld herausgewandert ist, ein sich durch die Erddrehung bewegendes Himmelsobjekt kann somit nur sehr schlecht nachgeführt werden. Bleiben wir kurz beim erwähnten "Lidl" Skylux 70/700, im Preisbereich bis etwa 150€ ist es eigentlich das einzige dass man ruhigen Gewissens empfehlen kann, um die Weihnachtszeit herum wird es für unverschämt günstige 69€ beim Discounter Lidl angeboten (den Rest des Jahres ist es auch erhältlich kostet dann aber meist über 100€). Das Besondere bei diesem Teleskop ist, dass eine parallaktische Montierung mitgeliefert wird, die im Vergleich zu den allermeisten anderen Angeboten in dieser Preisregion tatsächlich das Teleskop halbwegs stabil trägt. Zwar darf man auch bei diesem Teleskop weder von Mechanik noch von der Optik Wunder erwarten aber wenn es partout ein Teleskop des günstigsten Segments sein soll, dann ist das Lidlscope kokurrenzlos.

Und was ist mit den kleineren? Auch Linsenteleskope mit Daten wie 60/700, 60/900 oder gar 50/600 (u.ä.) werden häufig sehr günstig insbesondere bei ebay aber auch zum Beispiel bei Aldi angeboten. Diese Teleskope sind meines Erachtens einfach zu klein um einen schönen Einstieg zu bieten, zwar haben vor 20 oder 30 Jahren viele Amateur Astronomen mit Geräten dieser Öffnungsgrösse angefangen (anfangen müssen) aber heutzutage gibt es doch Alternativen um sich gleich etwas mehr zu gönnen. Wir erinnern uns, sowohl das Auflösungsvermögen (Details) als auch die Lichtsammelleistung eines Teleskops wird über die Öffnung definiert, 50 oder 60mm sind damit eher Grössen für Ferngläser (z.B. 10x50) mit niedrigeren Vergrösserungen. Dazu kommt, dass auch diese meist auf wackeligen Montierungen verkauft werden. Worauf man grundsätzlich achten muss ist, dass der Durchmesser (Steckmass) des Okularauszugs eines Teleskops 1,25" (31.7mm) beträgt, nur so kann man gegebenenfalls andere, bessere Okulare zukaufen und nutzen. Früher waren 1" Okularauszüge Standard, heute ist das aber ein Kriterium ein Teleskop nicht zu kaufen, gibt es doch fast kein brauchbares Zubehör mehr, bei den genannten kleineren Linsenteleskopen trifft man solche 1" Okularauszüge sehr häufig an. 

Als Fazit bleibt nur zu sagen: Es ist nicht alles Gold was glänzt und wer ohne Frust und mit ordentlichem Potential in die Astronomie reinschnuppern will braucht nicht unbedingt viel Geld ausgeben aber Fehlkäufe kann man auch vermeiden. Das beste ist in jedem Fall eine Sternwarte in der Nähe zu suchen, die gerne Neulinge beraten oder sich über eines der Internetforen (siehe meine Links) eine Beoabachtungsgruppe oder auch Einzelbeobachter in der Nähe zu suchen die einem die verschiedenen Geräte live vor Ort zeigen und vor allem auch durchschauen lassen können. Auch würde ich persönlich vom Kauf bei ebay abraten, zwar gibt es zwischen den Hunderten Standardangeboten auch immer mal wieder sehr gute Geräte sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene aber für jemanden der sich dem Hobby zum ersten Mal nähert ist das kaum rauszufinden (nicht einmal über den Preis, ich habe unlängst von einem 76/700 Teleskop gehört, dass durch etwas elektronische Spielerei auf stattliche 300€ kam - zum Vergleich: Für die identische Optik, gebraucht aber erst einige Monate alt und originalverpackt habe ich inkl. Versand keine 10€ bezahlt). Ein Fachhändler (siehe meine Links) ist klar die bessere Alternative, vorsicht auch hier hat fast jeder Händler Teleskope wie die besprochenen im Angebot, aber nun sind wir ja etwas aufgeklärter ;-) Im Übrigen: Viele suchen einen Händler mit Geschäft bei sich in der Nähe, das ist in vielen Fällen nicht zu machen und bevor man zum (meist auch schlecht informierten) Optiker oder ähnlichen geht, lohnt es sich in jedem Fall bei einem oder mehreren der grossen Händler anzufragen, das Versenden klappt eigentlich immer hervorragend und durch die Bestellung übers Internet hat man den rechtlichen Vorteil des unbedingten 14-tägigen Rücktrittsrechts.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen