Nachts ist es kälter als draussen... ein vermeintlich blöder Spruch, den sicher jeder schon mal gehört hat. Doch diejenigen, die bisher weniger im Outdoorbereich gemacht haben und zu unserem schönen Hobby gestossen sind werden schnell merken, dass die richtige Kleidung, natürlich insbesondere zur kalten Jahreszeit, über Wohl und Wehe einer Beobachtungsnacht entscheiden kann! Auf sommerliche Beobachtungen will ich gar nicht eingehen aber nur so viel sei gesagt: Es gibt durchaus Nächte wo man kurzärmlig und -hosig seinen Spass hat, aber für alle Fälle sollte man ein leichtes Jäckchen im Auto liegen haben...
In unseren Breiten kann es auch schon früh im Herbst und noch relativ spät im Frühjahr Nachts empfindlich kalt werden, dabei muss es beileibe nicht bis zum Gefrierpunkt absinken, bis sich die Temperatur erheblich auf das Durchhaltevermögen aber auch auf die Konzentration auswirken kann. Merke: Ein frierender Astronom sieht weniger und liegt schneller wieder im Bett.
Einige Hobbyastronomen die ich kennengelernt habe, meiden lange Beobachtungsnächte im Winter, doch gerade der Winterhimmel hat extrem viel zu bieten und die Nächte sind lang und oftmals erstaunlich gut, schade wenn man sich selbst lediglich wegen der falschen Kleidung um diesen Spass bringt.
Man mag einwenden, warum sollten wir uns das antun? Aber je nach Breitengrad haben wir zwischen Mai und August gar keinen vollständig dunklen Himmel und wenn nicht sonderlich lange, wer einmal mit ausreichend Zeit und Muse eine wirklich komplette Nacht unter dem Sternhimmel verbracht hat wird mir zustimmen, dass so etwas zwar nicht ständig geht aber doch ein einmaliges Erlebnis wird. Im Winter ist das mitunter nicht nur schwer sich aufzuraffen bei eisigen Temperaturen am Teleskop zu stehen, sondern es kann auch durchaus gesundheitliche Risiken bergen.
Grundlegendes
Aktive Wintersportler haben schonmal den Vorteil, dass sie das Grundprinzip von warmer Kleidung kennen (sollten): Zieh dich in möglichst vielen Schichten an. Drei oder vier verschiedene Kleidungsschichten übereinander isolieren besser als weniger, welche die gleiche Dicke aufweisen. Man sollte nach genau diesem Prinzip verfahren, moderne Funktionskleidung wie man sie in allen Preislagen (sogar recht brauchbar beim Discounter) bekommt, hat die interessante Eigenschaft nach Aussen zu isolieren aber Feuchtigkeit nach Aussen abzutransportieren, beides sehr wichtig um sich warm zu halten. Wenn ihr die Möglichkeit habt, versucht genau solche Kleidungsstücke mit diesen Eigenschaften zu bekommen. Damit hören die Ähnlichkeiten mit den Skifahrern aber auch schon auf, denn wir Astronomen haben ein gehöriges Problem, dass Skifahrer, Snowboarder und Schneeschuhwanderer nicht kennen: wir stehen über lange Zeit nahezu bewegungslos in der Kälte und produzieren dadurch kaum Wärme!
Dem kann man nur durch eben noch dickere Kleidung und natürlich genug Bewegungspausen entgegenwirken, einfach mal eine kleinere Runde laufen zwischen den Beobachtungen wirkt bereits Wunder. Ansonsten müssen wir uns einfach möglichst gut gegen die Temperaturen abschotten, also fangen wir mal ganz unten an...
Schuhe
Mir persönlich sind frierende Füsse ein Graus und der untrüglichste Weg nach anderthalb oder zwei Stunden keinen Spass mehr am Beobachten zu haben, da muss es auch keine -15° C sein, das kann mir schon bei leichten Plusgraden passieren... Die Füsse haben dann auch noch den ständigsten Kontakt mit dem eiskalten (manchmal auch auf Schnee oder Eis) Boden.
Ich schwöre bei wirklich kalten Temperaturen auf Wollsocken, am besten noch leichtere Socken darunter, das ist auch schon der Hauptgrund warum man sich seine Schuhe für das Beobachten etwas grösser kaufen sollte (ich kaufe 45 statt 44), die zusätzliche Luftschicht isoliert hier ebenfalls. Ein Mitbeobachter von mir schwört zusätzlich noch auf Melkfett auf die Füsse um eine weitere Isolierschicht zu bekommen, das habe ich selber allerdings noch nichts ausprobiert, nur feucht sollten die Füsse auch zu Beginn der Nacht keinesfalls sein! Die Frage nach DEM Schuh lässt sich sicher genauso schlecht beantworten wie nach dem "perfekten Teleskop". Ich habe mich für so genannte "Canadian Boots" entschieden, die gibt es wie alles in den unterschiedlichsten Preislagen, auch für den schmalen Geldbeutel werden sie einmal im Jahr bei den beiden großen Discountern angeboten. Neben einer dicken Gummisohle und einer Isolationsinnensohle sind sie mit Schaffell gefüttert. Ebenfalls hervorragend für solche Temperaturen sind die allseits bekannten "Moonboots", nun besitze ich leider keine und kann von daher auch nicht aus erster Hand berichten, aber die Vielzahl der zufriedenen Kollegen werden nicht irren...
Eine weitere Möglichkeit seine Füße warmzuhalten sind Heizeinlagen, mit diesen habe ich keine eigenen Erfahrungen gemacht aber die meisten mit denen ich gesprochen habe sind der Meinung, dass die noch halbwegs erschwinglichen Exemplare einen eher kleinen Wärmeeffekt haben. Was aber schon rein physikalisch Sinn macht, ist es zusätzliches Material zwischen sich und den Boden zu bringen, entweder in Form von dicker Pappe, einer Fussmatte oder auch einem Stück Styropor.
Kopfbedeckung
Huch jetzt sind wir aber weit nach oben gewandert! Wir sind nun aber auch bei einem verteufelt wichtigen Körperteil angekommen: Dem Kopf. Der Fakt, dass unser Kopf wegen seiner vielfältigen Aufgaben sehr stark durchblutet ist sorgt dafür, dass wir über ihn auch unverhältnismässig viel Wärme an unsere Umwelt abgeben, das sollten wir bei Minusgraden tunlichst verhindern.
Eine dicke Wollmütze, die über die Ohren geht ist schon mal das Richtige um sich warm zu halten, manche schwören auf die "Russenmütze" (korrekt eigentlich Tchapka), manchmal ist mir auch eine dicke Wollmütze nicht genug, das Gesicht ist einfach noch zu sehr der Kälte ausgesetzt. Gesichtsmasken (Balaclava) gibt es in unterschiedlichen Formen, im Motorradfahrerbedarf wird man oft fündig, sie sollte aber auch nicht zu dünn sein. Ich selbst nutze zwei verschiedene, eine relativ einfache aus einem Goretex-ähnlichem Material und eine aus Fleece, die zusätzlich noch einen Zug oben am Kopf hat, dadurch kann man sie auch öffnen und als Halstuch nutzen. Einen weiteren positiven Nebeneffekt, den ich beim Tragen solcher Gesichtsmasken beobachtet habe ist, dass man viel weniger in Gefahr gerät, das Okular dauernd anzuhauchen (was bei Minustemperaturen gleichbedeutend ist mit dem Totalausfall des Okulars bis es wieder aufgewärmt ist...)
Selbst in halbwegs milden Nächten bis 10° Plus ziehe ich mir da wenigstens gerne eine Kappe auf um einen warmen und funktionstüchtigen Kopf zu behalten ;)
Balaclava + Wollmütze
Das Beinkleid
Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Schichten! Ich selbst trage in wirklich kalten Nächten unter einer dicken Skihose noch eine normale Jeans, das hat mir bisher immer gereicht um an den Beinen nicht zu frieren, aber das persönliche Kälteempfinden ist von Person zu Person sehr unterschiedlich, mit langer Thermounterwäsche ist man sicher auf der sicheren Seite, mein Mitbeobachter schwört auf eine Thermohose aus (nein kein Witz) NVA Beständen, solche Kleidungs ist auch sehr günstig zu bekommen. Ganz im Gegensatz zu der Bekleidung die ich nun der Vollständigkeit halber erwähnen möchte. Kühlhauskleidung ist speziell auf niedrigste Temperaturen ausgelegt und sogar zertifiziert, manche Versionen sogar für arktische Temperaturen, die wir hier gar nicht haben. Sie ist nicht gerade billig, aber das ist gute Skikleidung auch nicht, komme ich eines Tages mal wieder in die Versuchung mir etwas in diese Richtung zu kaufen, werde ich diesen "heiligen Gral" der Winterbekleidung mal ins Auge fassen - andererseits bin ich bisher auch noch niemanden unter meinen zahlreichen Mitbeoabchtern begegnet, der solche Kombis gekauft hätte...
NVA Thermohose (danke an
Jan für dieses Foto)
Oberbekleidung
Hier gibt es nicht viel neues zu sagen, es gilt das gleiche wie für den Rest der Kleidung, Schichten sind angesagt, isolierende Materialien ect. Neben einem dicken Pullover (Fleece, Baumwolle u.ä.) trage ich diverse Jacken, je nach Temperatur - das beste was ich hier je getragen habe ist meine alte Skijacke mit echter Daunenfüllung, für den Fall der Fälle habe ich auch im dicksten Winter gerne noch einen zusätzlichen Backup Pullover im Auto, der eine Nummer grösser ausfällt. Auch der Oberkörper ist so ein Körperteil an dem ich eigentlich nie friere (genug natürliche Isolierung ist wohl vorhanden ;) ).
Was mir aber immer wieder Sorgen bereitet und da bin ich sicher nicht gänzlich allein: Der Rücken. Wenn man dort in irgendeiner Weise vorbelastet ist, sollte man sich hier zusätzlich schützen, denn nie bekommt man einen Hexenschuss schneller als bei -10° wenn man sich zum Okularkoffer bückt - Ein Nierengurt wie man ihn für kleines Geld im Motorradfachhandel bekommt hat sich hier als optimal für mich erwiesen.
Handschuhe
Heikles Thema, hier machen wir einen Eiertanz, zum Einen müssen die Hände warm bleiben (das ist so eine Schwachstelle bei mir, da friere ich schnell und stark) andererseits brauchen wir hin und wieder eine Menge Feingefühl in den Fingern, beim Zeichnen wird es sogar richtig feinmotorisch! Man kommt hier mit einem einzigen Paar Handschuhe eigentlich nicht aus. Ich habe im Laufe der Zeit sicher ein Dutzend verschiedene Versionen ausprobiert, aber ein einziges Handschuhpaar, dass mir alles geboten hätte habe ich nicht gefunden. Zwar gibt es warme Fäustlinge, die man zurückklappen kann, aber die waren mir zu teuer. Also bin ich auf eine Kombination von zwei (eigentlich sogar 3) Techniken gekommen. Zuunterst und das dauerhaft trage ich relativ dünne Wollfäustlinge die man zurückklappen kann, darunter sind die vier Finger komplett frei. Wenn sie gerade länger nicht gebraucht werden wandern die Hände nochmal zusätzlich komplett in warme Skihandschuhe. Zusätzlich kann man aber auch für Wärme, gerade der Finger sorgen.
Fingerling vs. Fäustling (danke an
Jan für dieses Foto)
Im Prinzip gibt es drei verschiedene Arten von Taschenwärmern. Version 1 ist eine Einmal-Version, macht relativ lange warm aber kann man danach wegschmeissen, was sie für mich nicht gerade attraktiv macht. Wer allerdings wirklich selten bei solchen Temperaturen unterwegs ist, für den könnten sie Sinn machen, zumal man sie sogar in die Schuhe stecken kann. Version 2 sind wiederaufladbare Taschenwärmer. Sie sind mit Natriumacetat gefüllt, dass bei hohen Temperaturen (kochendes Wasser) flüssig wird und beim Knicken eines Metallplättchens seine gespeicherte Energie durch Auskristallisieren wieder abgibt. Sie sind bei niedrigen Temperaturen schnell wieder kalt (die angegeben 15min sind bei -10° obsolet), dafür sind sie sehr billig, man kann sich also problemlos 10 oder mehr in die Tasche stecken und ist für die Nacht gewappnet. Ein weiteres tolles Einsatzgebiet: Mit diesen Wärmern bekommt man auch zugetaute Okulare wieder flott! Zum ersten Mal sah ich diese Technik bei meinem Mitbeobachter Jan, eine am besten isolierte Tasche wird mit diesen Pads geheizt und die Okulare hineingelegt, am besten noch ein Päckchen Salz dazu damit die Feuchtigkeit auch wirklich von den Okularen abgezogen wird und fertig ist der Okuwärmer.
Ein wahrscheinlich überflüssiges Wort der Warnung (aber der Teufel ist bekanntlich ein Eichhörnchen...): Beim "Aufkochen" der Wärmepads ist auf ausreichend Wasser im Topf zu achten und bitte nicht unbeaufsichtigt lassen. Mir ist genau das passiert mit der tollen Show, drei solcher Teile in der Küche explodieren zu lassen, das roch nicht wirklich toll (extremer Essiggeruch und Brennen in Augen und Atemwegen) und das Acetatsalz rieselte noch gut zwei Wochen von der Küchendecke...
Version 3 ist die altmodische Variante. Habe ich mir auch mal zugelegt und für die Jackentasche finde ich es fast am ökonomischsten. Ein klassischer Taschenofen, der mit Feuerzeugbenzin betrieben wird sorgt für sehr lange Zeit für gleichbleibende Wärme. Wenn man anständig mit ihnen umgeht sind sie auch eigentlich ungefährlich, aber natürlich sollte man sich vorsehen! Zu den Okularen würde ich sie ungern packen, schon alleine wegen eventuellem Ruß oder sonstigen Benzinausdünstungen.
Fazit
Wie kann man sich noch motivieren auch mal etwas frischere Nächte anzugehen und dabei noch Spass zu haben? Zum Einen sollte man solche Nächte am besten in Gesellschaft verbringen, das gemeinsame Erlebnis unter dem klirrenden Sternenhimmel motiviert doch enorm. Dazu sollte man die warmen Getränke und auch mal etwas zum Knabbern auf keinen Fall vergessen!
Bei allem Spass sollte man aber auch ganz realistisch seine Grenzen sehen und ziehen. Wer dem Beobachten unter zugegebenen Extrembedingungen jenseits der -10° C einfach nichts abgewinnen kann, der sollte es auch nicht auf Teufel komm raus tun nur um sich zu beweisen, am Ende ist niemandem gedient wenn man dafür dann tagelang mit einer Bronchitis daniederliegt und ein Bekannter von mir hat sich im Eifer des Gefechts tatsächlich schon bei einer Beobachtung im heimischen Garten leichte Erfrierungen an den Fingern eingefangen ;) Dann lieber nur ein Stündchen, hauptsache der Winterhimmel wird mit seinen vielen Perlen und Schmuckstückchen genossen.
Zum Abschluss noch ein paar Stimmungsbildchen von wirklich kalten, wenngleich genialen Winternächten...