Datum: 17-19. April
Ort: Vogelsberg
Zeit: Freitag 20 Uhr bis 2:30 Uhr Samstag 20 Uhr bis 3:45 Uhr
Grenzgröße: Freitag ca. 6m1 - 6m2 Samstag 21.45 m/arcmin²
Lange darauf hingefiebert - nun endlich komme ich mal wieder von meiner Scholle weg und unter potentiell dunkleren Himmel. Jan hat schon viele Tage vorher sein Lager aufgeschlagen. Schon vormittags kann ich mich loseisen und mache mich auf den Weg, im Gepäck das "große Besteck", Grinsen treibt mir mein neues Auto ins Gesicht, dass sich als ideal für solche Astroexkursionen zeigt, mit ausgebauten Sitzen (was ich mir sogar hätte schenken können), könnte ich sogar auf ein Zelt verzichten und mich bequem direkt hineinbetten.
Das Wetter verspricht nach ein paar richtig warmen, schon fast zu warmen Tagen, wieder deutlich abzukühlen aber auch klar zu werden! Bei meiner Ankunft zur Mittagszeit zeigt sich der Himmel schon durchaus schön mit wilden Wolken und einem herben, straffen Wind... schon fast Sturm. Der Zeltaufbau ist entsprechend anstrengend, allein ohne Jans Hilfe hätte ich keine Chance gehabt und das Zelt einen Kilometer weiter auflesen können. Nach dem Aufbau ging es deshalb erstmal in einen Pulli, Jacke und Mütze - alles würde ich die nächsten 48 Stunden nicht mehr ausziehen.
Der Nachmittag wurde sehr entspannt, dem Sturm geschuldet, über weite Strecken im Wohnwagen verbracht. Objektrecherche für die kommende Nacht stand an. Ich beobachtete schon mal mit dem Finger auf der Karte den Kasten des Großen Bären durch und schrieb mir Helligkeiten aus der Liste - auch mit nur 8" sollte hier unter entsprechendem Himmel einiges zu sehen sein. Nach dem Abendessen (lecker Wurst in netter Gesellschaft), steht die Organisation des "Arbeitsplatzes" an und dann... tja das inzwischen schon wieder laaange Warten auf Dunkelheit. Sowohl Venus als auch Jupiter lassen sich aber schon vor Sonnenuntergang am Himmel entdecken.
Doch bevor es richtig los geht, kann ich mich endlich von den glühenden Kohlen in Form von Jans neuem Dobson befreien! Bisher sah ich nur Bilder und nur das direkte Begrabbeln kann hier Abhilfe schaffen. Mein erster Gedanke beim Ansehen: Sehr sehr hübsch aber viel zu filigran und nackig... Oh wie ich mich täuschte :D Die Konstruktion ist wirklich materialminimalistisch, die erste Berührung belehrt mich eines Besseren - eine stocksteife Konstruktion :O !! Die Bewegungen smooth und völlig ruckelfrei, Ausschwingzeit praktisch inexistent! Allein die Az-Achse ist mir zunächst einen Tick zu leichtgängig, interessanter Weise finde ich aber heraus, dass beim Drehen der Druck dann doch zunimmt, geniale Sache. Diese Art von Spiegel sehe ich nun auch zum ersten Mal Live - eine Sandwichkonstruktion, die schon vom Angucken verspricht erheblich kürzere Auskühlzeiten zu ermöglichen. Zunächst etwas verwirrend aber im Nachgang doch als tauglich und sogar wünschenswert empfunden: Die oberhalb des Hutrings angebrachte Spinne, ebenfalls nur auf den ersten Blick filigran und real ultrastabil. Was die optische Leistungsfähigkeit angeht wird mich die Nacht vielfach (!) zu verzücktem Jauchzen bringen - zwar habe ich schon vielfach durch diverse 16"er mitbeobachtet, aber ohne den Besitzern zu nahe zu treten: Das waren über weite Strecken eher Gürkchen...
Ich wende mich nun doch meiner Karte zu. Leider zeigt sich sehr schnell, dass ich nicht wirklich mitgedachte habe. Meine Ziele stehen nahezu exakt im Zenit, der sich leider mit dem GSO nur sehr hakelig bearbeiten lässt. Trotzdem starte ich zumindest mit den ersten Objekten. Auf der Linie Gamma und Beta UMa findet sich auf 1/3 ein Stern um den die ersten Galaxien aufblitzen. NGC 3738 und NGC 3756 liegen nah beieinander. Beide sind mit 11,2 und 11,5m eher hell aber nun keine strahlenden Gestalten, erstere ist eine interessante kleine Zwerggalaxie und die zweite eine Balkenspirale - Details lassen sich mit 8" erwartungsgemäß nicht ausmachen.
Durch den Stand bedingt, verschiebe ich weiteres Eindringen in den Bärenkorpus und schwenke zu M 109, von dort erkunde ich die naheliegenden Gesichtsfelder und sehe NGC 3953, die mit 10,8m ein prominentes Objekt ist. In die andere Richtung liegte NGC 4102 die nicht weit zurückbleibt was die Helligkeit angeht, im selben Gesichtsfeld schön gelegen findet sich auch noch NGC 4068, diese irreguläre Galaxie ist dann schon ein anderes Kaliber 12,5m ist natürlich tadellos in Reichweite aber sie war schon sehr oberflächenschwach und vor allem nicht sichtbar konzentriert.
Einige Standards wie M 51, 101, 108, 81, 82, 63 seien der Vollständigkeit halber noch erwähnt, vor allem 51 war für 8" Verhältnisse mal wieder prächtig, kein Raten in Sachen Spiralarmen von Nöten! Weggehauen hat sie mich allerdings dann an Jans 16er: Arme wohin man blickt und von Knoten durchzogen. Ganz ehrlich - wir reden hier von Anblicken, die man mit einfachen Kurzzeitbelichtungen durch ein Teleskop schon nicht mehr fotografisch erfassen kann - herrlich. M 101, da war ich dann richtig baff - hell, groß... und doch immer wieder für eine Enttäuschung gut, hier steht und fällt alles mit dem Himmel, dann noch gepaart mit dem Teleskop war es ein Genuss die Spiralarme nachzuvollziehen, Verdickungen und H-II Regionen zu entdecken... jaaa doch, kann was :D
Hernach versuchte ich mich noch an zwei (bereits bekannten) Päärchen in den Jagdhunden. NGC 4485/4490 alias Arp 269, diese wechselwirkenden Galaxien sind mir immer wieder eine Freude, die große und merklich hellere hat einen Gezeitenschweif der im Ansatz sogar schon im 8"er zu sehen ist, in Richtung dieses Schweifs steht der kleine irreguläre Partner. Etwas weiter in Richtung Cor Caroli findet sich die Paarung NGC 4618/4625. Obwohl beide selben Typs sind und tatsächlich auch räumliche Nachbarn sind, ist 4318 sofort unübersehbar, selbst wenn man per Zufall in das Feld stolpern sollte (10,6), während man 4625 doch etwas Ruhe geben muss, dann ist sie aber ebenfalls kein Problem (12,3), sie ist in jedem Fall merklich kleiner (im infraroten übrigens nicht, da zeigen sich sehr schwache Arme).
Ein absolutes Highlight: Das Draco Trio NGC 5985, 5982, 5981... einfach mal WOW! Im 16er zeigen sich aufgereiht drei Galaxien wie sie unterschiedlicher nicht sein können, dabei keine Funzeln (mit 16") und somit schauen sie eigentlich interessanter aus als beispielsweise das Leotriplet. In der kommenden Nacht werde ich sie auch mit 8" suchen... aber dazu später mehr.
Während des Abends lief übrigens die Kamera dezent platziert und schoss eine Serie des Venus Untergangs.
Nach Mitternacht, war es 1 oder 2 Uhr (?) zog der Himmel plötzlich von Norden her zu, der Wind war bis auf einen leichten Zug hin und wieder zum Sonnenuntergang abgeflaut. Zeit für ein kurzes Aufwärmen in der Sternwarte. Hier hatte ich die Möglichkeit die Spindelgalaxie NGC 4240 durch den 20" Cassegrain zu sehen, durchaus beeindruckend! Ganz ehrlich fand ich sie allerdings später im 16"er nicht wirklich schlechter... Der Himmel zog nach einer viertel Stunde auch wieder frei, lustigerweise waren wir während des Aufziehens gerade mit dem Großen bei Messier 82... die überaus präsenten und detaillierten Dunkelwolken verloren etwas an Kontrast und als wir aufblickten mussten wir doch mal lachen: Ein immer noch detaillierter M 82 durch eine geschlossene Wolkendecke :D
Wir waren bereits vom windigen Tag durchgefroren in die Nacht gestartet - Ausrüstung und (laminierte) Karten bereits mit Reif bedeckt, das Anziehen der Maximalausrüstung - eigentlich für Winternächte konzipiert - retteten uns durch die vielen Stunden aber so mollig warm war uns dann doch nicht mehr ;) Umso schlimmer das Aufwärmen! Ich wurde fast augenblicklich RICHTIG müde... Trotzdem bequemten wir uns noch ein Stündchen an die Geräte bevor wir beschlossen uns für die zweite, mutmaßlich bessere Nacht, etwas schonen und in die Betten kriechen wollten.
Samstag... Ich krieche gegen halb acht aus dem Schlafsack. Die Morgenstimmung auf Teleskoptreffen ist immer wieder schön und einzigartig. Meist halte ich es trotz Müdigkeit und spätem Schlaf nie so wirklich lange aus. Es ist immer noch kalt, der Wind hat wieder aufgefrischt. Alles ist ruhig und die tiefe Sonne wärmt das taugeplagte Teleskop. Erstmal alles Nasse in Richtung Sonne drehen, dann fix unter die Dusche hüpfen und Teile der Menschlichkeit wieder herstellen. Eisreste finden sich immer noch auf den Karten, auch diese werden aber schnell trocken. Ich weiss nicht ob es nur MIR so geht, immer wenn ich auf Treffen bin fällt der durchorganisierte und getaktete Alltag ab - manchmal ist das auch verwirrend... Uhrzeit? Egal... Was mach ich wann? Wird sich zeigen :D Mitunter kann die Ziellosigkeit aber auch anstrengend sein - Das Zeitgefühl geht jedenfalls schnell verloren. Ein rudimentäres Frühstück angereichert durch einen sehr wilkommenen Kaffee von Jan (danke!), normal trinke ich gar keinen aber allein die Wärme hilft doch immens.
Der Tag verfliegt mit anregenden Gesprächen, Seele baumeln lassen und immer mal wieder Windschutz aufsuchen. Des Nachmittags lasse ich die EOS nochmal rattern und die ziehenden Wolken aufnehmen. Mit dabei auch die beiden Sequenzen von Freitag (nach Westen) und Samstag (nach Süden) Nacht.
Frühjahrstreffen Vogelsberg 2015 from Benny Hartmann on Vimeo.
Vor dem Sonnenuntergang unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang zu einem verboten idyllisch gelegenen Teich/Tümpel in Schlagdistanz. Ein Ort, der im Abendlicht eine herrliche ruhige Stimmung verbreitet. Besonders hier wird mir wieder der Unterschied zu heimischen Gefilden bewusst - das ist auch Land - aber hier wird das Plätschern, Rauschen und Zwitschern doch merklich weniger durch die Geräusche von Bundesstraßen und Flugzeugen überlagert! Herrlich...
Nachdem ich meine Ravioli verdrückt hatte und man sich eigentlich wieder der Objektvorbereitung widmen wollte eine sehr freudige Überraschung: Andreas ist angekommen! Das hat mich wirklich gefreut, dass er es möglich gemacht hat, die Nacht mit uns zu verbringen. Einmal mehr stelle ich die Kamera am Rand des Geländes auf und wir erwarten das Ende der Dämmerung.
Nach subjektiver Ewigkeit lohnt es dann auch in den Deepsky vorzudringen. Ich finde endlich auch mit dem 8"er das Draco Trio, natürlich nicht wirklich mit dem Anblick im 16er zu vergleichen und nicht alle sind gleich einfach, falsch: Einfach ist keine aber einige sind eben knackiger. Interessanter Weise ist die Edgeon NGC 6981 mit unter 13m gar nicht mal die schwerste, NGC 5985 ist die hellste mit ca. 11m8 aber nur auf dem Papier, denn NGC 5981 ist konzentrierter.
Zeit für etwas Coma - ich starte bei Beta-Com und sehe relativ unaufgeregt NGC 5032, einfach ist sie nicht, schon allein dadurch, dass Beta im Gesichtsfeld ist wird das ganze ein Geduldsspiel um die richtige Ausrichtung und die richtige Richtung fürs indirekte Sehen. Irgendetwas unterbricht meine Tour und ich will später wieder ansetzen, werde aber nicht mehr dazu kommen. Als ich wieder am Teleskop bin habe ich wieder die Karte von Draco und UMi vor mir liegen und will mich etwas dort treiben lassen. Ein paar Starhopping Übungen bringen mich schnell von Pherkad am Kasten im kleinen Bären zur Galaxie NGC 5832. Eine "Häkchen" Galaxie in 8" - will heißen: Gesucht, gesehen, identifiziert aber ohne, dass sich hier intensives Beobachten in Details niederschlagen würde ;)
Strichspuren in Richtung Süden - so sieht das also ohne Lichtglocke aus!
Ermutigt durch die gute Orientierung auf der Karte gehe ich zurück ins Feld mit Pherkad uns starte eine längere und etwa anstrengende Hangelpartie von Sternmuster zu Sternmuster, über etliche Gesichtsfelder bis ich ankomme - Ja wo denn? Zwei relativ helle Sterne stehen hier, bei einem ein weiterer schwächerer sowie natürlich viele schwächere Feldsterne. Ich schwenke das Teleskop vielfach hin und her, die einzige Chance die Burschen, die sich hier mutmaßlich verstecken aus ihrer Deckung zu locken. Da! Ein kleiner Fleck nahe des "linken" Sterns! Eine mehrfache Wiederholung und ein Wechsel auf 14mm schließt alles andere aus - sie blitze indirekt immer wieder kurz auf, sehr sehr grenzwertig, niemals dauerhaft haltbar, aber da ist etwas. ich habe die Galaxie IC 1110 vor mir, genaue Helligkeiten finde ich nicht aber sie liegt jenseit von 14m, noch innerhalb der Grenzen dessen was 8" unter Himmel oberhalb von 6mag leisten kann aber eben schon nah an der Grenze und auch anstrengend. Jetzt geht es aber erst an die RICHTIGE Herausforderung in diesem Feld, mit den beiden Sternen ein Dreieck bildend schaue ich mit 30mm auf eine leere Fläche. Nicht ganz leer, einige schwache Feldsterne sind schon da. Ich schwenke mit indirektem Sehen lange über das Feld, immer wieder hin und her. Der Himmelshintergrund scheint mir ungleichmässig, keinerlei konzentrierte Aufhellung wie man das von den üblichen Objekten kennt, bei 14mm wird das noch deutlicher, hier der Himmel dunkel, beim Schwenken wird er etwas (!!!!) heller, dann wieder dunkler. Ich bin doch arg überrascht und freudig erregt. Schnell geht es an den 16er um meine Beobachtung zu verifizieren bevor ich dann noch weitere Beobachter hinzuziehe. Die Stelle ist schnell wieder gefunden und auch hier das selbe Spiel mit 24mm und 14mm. IC 1110 ist hier schon bedeutend einfacher, das zweite Objekt nicht wirklich einfacher, aber völlig reproduzierbar, bei 14mm schon gesichtsfeldfüllend ändert sich die Helligkeit des Himmelshintergrundes. Nun ist es Zeit auch Jan und dann Andreas das Feld zu zeigen und erst einmal selber ihre Schlüsse ziehen zu lassen. Am Ende sind wir uns einige: Da ist eine völlig undefinierte aber ortsfeste Helligkeitsvariation. Dabei handelt es sich um UGC 9749 - Den Ursa Minor Dwarf - eine nahe Zwerggalaxie der lokalen Gruppe, ein Thema was bei mir immer mal wieder hochkommt und wohliges Schauern auslöst, ich erinnere mich da noch an IC 10 in Cassiopeia, die ich sogar mit 5" schon sehen konnte. Bei diesen ultralowsurfacebrightness Objekten kommt es denke ich auch nur zweitrangig auf die Öffnung und viel mehr auf die richtige AP gepaart mit optimaler Transparenz an. Es war für mich ganz klar das Highlight des Abends, des Wochenendes und des bisherigen Jahres!
Ein solcher Knacki, der körperlich spürbare Erschöpfung (gepaart mit tiefer Befriedigung) hinterlässt muss einfach der Höhepunkt einer Nacht bleiben, deshalb geht zwar weder der Himmel flöten noch meine Motivation aber die verbleibenden zwei Stunden bis etwa viertel vor vier verbringe ich ohne Anspruch auf Heldentaten mit entspannten Gesprächen und Blicken meist durch andere Teleskope. Vollgepackt mit wunderschönen Eindrücken und endlich wieder rückhaltlos davon überzeugt, das schönste Hobby der Welt zu haben geht es dann irgendwann in den Schlafsack :)
Paradies im Nirgendwo
Fazit: Was soll ich da noch schreiben.. ich hoffe und denke es kam rüber, dass ich aufs Äusserte glücklich die Heimreise antrat :)) Die kurze Zeit voll ausgefüllt mir Nichtstun und dann wieder gespannter Betriebsamkeit des Nachts - einfach perfekt. Dazu beigetragen haben einmal mehr die Menschen um mich herum. Das fängt direkt mit Jan an, ohne dessen menschliche und sächliche Infrastruktur das ganze bei Weitem nicht so viel Spaß und Entspannung gebracht hätte, dann natürlich die netten Gesprächspartner des Wochenendes, die ich teils schon kannte teils aber auch neu kennenlernte wie Jan (2) oder Günther und last but not least natürlich der Verein selber, der diese immer wieder eindrücklichen Erlebnisse an ihrem Standort möglich macht.
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