Donnerstag, 1. Juli 2010

ATM Bericht 12" f/5 Hypatia

12" f/5 Gitterrohrdobson "Hypatia

Ich habe einige Zeit nachgedacht, ob für dieses Gerät ein Selbstbaubericht gerechtfertigt ist, immerhin ist es ein weitestgehend montiertes Martinibausatzgerät und kein wirklicher Selbstbau, aber die langen Wochen die ich gebraucht habe bis zum Firstlight und der ein oder andere Schweisstropfen auf dem Weg zum fertigen Teleskop haben mich dann doch überzeugt.
Im Februar konnte ich mein teilmontiertes Instrument von Astrooptik Martini persönlich auf dem ATH in Hückelhoven in Empfang nehmen, fantastisch - das Schleppen des Volltubus Galaxy soll nun also bald ein Ende haben. Seit gut vier Monaten liegt er zu diesem Zeitpunkt schon zerlegt im Keller, nur mein 4" Richfieldteleskop rettete mich über den Winter, der aber ohnehin derart schlecht war, dass sich kaum Gelegenheit zur Reue zeigte...


Das Teleskop liegt in seiner Rohform zwischen den bei Dieter Martini angebotenen Bausätzen und den komplett fertigen Geräten. Sowohl der Hut als auch die Spiegel- und Rockerbox sind bereits zusammengebaut/geleimt. Bohrungen für Höhenräder, OAZ u.ä. sind aber noch nicht vorhanden, die Höhenräder und Stangen liegen bei. Der erste Schritt ist natürlich die Vorbehandlung des Holzes, schliesslich soll er am Schluss ja auch ordentlich gegen Nässe geschützt sein und abgerundete Ecken sind ästhetisch auch wünschenswert. So sieht die Spiegelbox (und alle anderen Teile) vor dem ersten Schleifgang aus:

 

In mehreren Schleifgängen (ca. 180/300/800) werden alle Teile schön glatt und rund abgeschliffen, für die Rundungen der Kanten benutze ich einen Schleifklotz (unidealerweise war es eine kleine Tupperdose...). Nach einigen schweisstreibenden Nachmittagen sah es schon erheblich besser aus und vor allem war das Anfassen ein wahrer Genuss 

 

Auf der Suche nach einem geeigneten Lack wurde ich im Baumarkt fündig, es handelt sich dabei um einen "Nanotech" Schutzlack für stark witterungsbeanspruchte Aussenhölzer (z.B. Türläden oder Holzverkleidungen auf der Wetterseite eines Hauses). Was mir sehr daran gefällt: Vor dem Verarbeiten ist der Lack ein Gelee, der sich erst während des Auftragens verflüssigt, Sauerei ist damit weitestgehend zu verhindern. Nach jeweils 24h gibt es eine zweite Schicht - sicher ist sicher. Nach 2 Tagen erkläre ich die Teile für trocken - zunächst mal fühlt sich das ganze im vergleich zum hochglatten Holz sehr enttäuschend an :( Jan schubst mich auf die Technik des Nassschleifens. Mit 1200er Schleifpapier und Wasser geht es jetzt über den Lack und siehe da, nach kurzem Schleifen wird die Oberfläche nicht nur angenehm glatt sondern sogar richtig glänzend :)

 

Stangen in der Spiegelbox 

 

Die Stangenklemmung am Hut

 

In ganzer Pracht aber noch ohne OAZ oder Höhenräder...

Jetzt macht er schon richtig was her - aber ausser für den Wetterschutz und die Ästhetik hat sich bis dato noch nichts getan! Zusammen mit meinem Vater mache ich mich an die Höhenräder. Nach Vorgabe setzen wir 4cm hohe Holzblöcke in die Rockerbox und stellen die Spiegelkiste hinein, nun werden die Höhenräderlöcher gebohrt und montiert, nun lässt er sich zum ersten Mal Schwenken und das tut er auch schon ganz smooth :)

Der OAZ wird genau eingepasst und montiert, jetzt sieht er zusammengebaut schon richtig einsatzbereit aus, mittlerweile ist es April und auch langsam Zeit, dass ich wieder ein einsatzfähiges Teleskop habe, doch hier warten noch einige Stolpersteine! Der Fangspiegel wird mit dem etwas teureren Silikon aus dem Baumarkt auf die FS Halterung geklebt, der Offset ist dabei schon berücksichtigt. Nun bleibt ja eigentlich nur noch die Verpflanzung des Hauptspiegels und dem Beobachten steht nichts mehr im Wege! -.- Weit gefehlt...

Der Galaxyspiegel ist tatsächlich an 9 Punkten mit der Zelle verklebt (!), die ganze Konstruktion ist dazu auch noch derat verwinkelt gebaut, dass man von keiner Seite richtig zwischen Zelle und Spiegel kommt... Radikale Massnahmen müssen her, ein altes Teppichmesser wird erhitzt und tatsächlich, die Klebepunkte strecken die Waffen :) Jetzt bekommt der Spiegel erstmal seine rituelle Waschung mit Spüliwasser und Aq.dest. aber die leider mittlerweile bekannten "Dreckkörner" weichen nicht :( Ich persönlich glaube, es handelt sich um über die Jahre festgebackene Pollen o.ä. Selbst eine sanfte Hand/Spüli Massage und das Einweichen mit Optical Wonder können hier rein gar nichts bewirken. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass eine durschnittlich verschmutzter Spiegel auch gute Leistung bringt und mir als letztes Mittel eines Tages noch die Neubelegung offen steht.
Der nächste Schock lässt nur wenige Tage auf sich warten... Der Spiegel passt beim besten Willen nicht in die Spiegelzelle :O!!! Tatsächlich fehlen hier gut 2mm die ich an einem sehr schweisstreibenden Nachmittag händisch runterschrubbe, bis der Spiegel endlich in sein neues Heim gleiten kann.

 

Der Bösewicht - Die Spiegelzelle

Jetzt aber, da dieses Problem auch noch gelöst ist, will mir kein Grund mehr einfallen nicht gleich loszulegen :) -.- ich bin einfach nicht kreativ genug um mir Probleme wie die folgenden vorzustellen - Auf den allerersten Blick merke ich schon: EXTREME HECKlastigkeit - das ist auf den ersten Blick verwunderlich, kämpfen doch fast alle Selbstbauer mit dem genauen Gegenteil: Einem zu schweren Hut. Nun ist das Gerät (ausser der Spiegelzelle) aber normalerweise für 25mm "Pizza"Spiegel gerechnet, mein elend schwerer 50mm Galaxyspiegel ist einfach zu dick und zieht stark nach unten. Spasseshalber ermittele ich wieviel Gewicht ich am Hut brauchte: Satte 3kg :D Aber das ist natürlich keine Option, die Höhenräder müssen wohl oder übel nochmals versetzt werden - Nun denn das Firstlight soll er aber trotzdem bekommen. Im Garten wird ein weiter entferntes Hausdach angepeilt - Seltsam, keine Chance das mit dem 32mm Okular scharf zu bekommen, ich sehe sogar mit volleingefahrenem OAZ den FS als unscharfen Schatten - okay das ist so ungewöhnlich am Tage nicht und das Dach ist vieleicht einfach zu nah. Mit dem 22mm LVW komme ich ganz knapp in den Fokus, mit dem 14mm Speers natürlich nicht, ist es doch eines der intrafokalkritischsten überhaupt... Später am Abend - das viel zu nahe Hausdach ist längst vergessen - der Mond soll mir nun zeigen wo in Sachen Fokus der Hammer hängt - Lange Gesichter... Keine Chance intrafokal auch mit dem sonst eher extrafokalkritischen LVW ein scharfes Bild zu bekommen - Die Stangen sind entschieden zu lang. In meinem jugendlichen Leichtsinn höre ich mich sagen:"Gut da müssen sicher so 2-3cm runter...

Der Dobson wandert ob dieser ersten Enttäuschung und enormen Zeitmangel für die nächsten Wochen im Bastelraum meines Vaters... Im Juni wird er schon leicht nervös, wie lange denn das Gerät da noch etwa stehen würde - nun ich weiss immer noch nicht wie weit die Stangen runtermüssen aber kann ja so schwer nicht sein, das herauszufinden. Ich entschliesse mich zum Praxistest - Eigentlich wollte ich es am Mond ausprobieren, aber der zeigte sich nie zu den Zeiten, zu denen ich Zeit zum basteln hatte. Nun sind Wolken ja oft auch etwas weiter weg und so mussten eben diese herhalten ;) Der OAZ wurde abgebaut und das Okular einfach so nah an den FS herangeführt bist sich ein scharfes Bild zeigte - Erstaunen!: Die Hülse vom 14mm Speers (als intrafokalkritischstes Okular als Präzedensfall ausgewählt) war komplett im OAZ Brett versenkt! Ein Lineal später wusste ich, das hier fast 90mm Fokusweg fehlen...

Nachdem Jan bereits lange kopfschüttelnd mein mühsames und langsames Problemlösungsverhalten beobachtet und mich auch schon öfter eingeladen hatte mit dem ganzen Krempel einfach bei ihm vorzufahren, belästigte ich ihn kurzer Hand (kann man nach vier Monaten noch von kurz reden?) und fand einen ganzen Nachmittag und Abend Herberge auf dem Jan'schen Gehöft :D Jetzt war der Praktiker am Werk! Nach telefonischer Rücksprache mit Jörn, der bei der Schwerpunktermittlung den letzten Knoten im Gehirn löste, gab es vier schöne neue Löcher für die Höhenräder und die Stangen wurden von Meister Jan persönlich gekürzt... Bei beiden Aufgaben, hat er mit Zollstock, Augemass und auch einer Portion Mut einfach zwei Werte als richtig angesetzt und drauflosgesäbelt.... Bei der Schwerpunktermittlung spendierte er auch noch das fast 1kg schwere 28mm UWAN um sicher zu gehen, dass da auch solche Kavenzmänner nicht zum Kopfnicker werden.

Der erste Test im Hof - Da war sie: Die ERLÖSUNG! :D Der Fokus sitzt perfekt, ich habe nun sogar beim 14mm Speers noch etwas Luft nach Innen und nach Aussen komme ich ebenfalls mit allen Okularen in den Fokus, Hecklastigkeit gehört der Vergangenheit an, und egal welches Okular: Der Dobson bleibt genauso stehen wie er soll - Endlich konnte ich mich in das Gerät wieder verlieben und nach einem kurzen Firstlight am hellen Junihimmel bekam meine "Hypatia" ihre schon vor Monaten angefertigten Edelstahlplakette auf den Hintern :)

 

Erster Fokustest - Die Höhenräder sind noch nicht versetzt

 

Nach allen bestandenen Tests, durfte dann auch das "Typenschild" Platz nehmen

 

Hypatia in ihrer natürlichen Umgebung ;)
Meinen tiefen Respekt vor allen Selbstbauern, die ausser den kleinen Problemchen mit denen ich zu kämpfen hatte, auch noch RICHTIGE Probleme beim Komplettselbstbau haben :D 

UPDATE 11/2013:

Diverse Tuning Maßnahmen zur Streulichtminimierung und Versteifung

© 2009 Benny Hartmann

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