Ort: Feld nahe Taunusstein
Uhrzeit 22:50 bis 0:00 Uhr
klar, GG nicht ermittelt, Milchstraße stark strukturiert und von Horizont zu Horizont zu verfolgen, M13 freisichtig...
Schon viel zu lange ist es her, dass das letzte Teleskop in meinen "Fuhrpark" aufgenommen wurde, da kam mir das Angebot vor einiger Zeit gerade Recht! Auf das 130P Heritage hatte ich schon länger geschielt, da es mir als Fix-und-Fertig Reisegerät und noch wichtiger als Grundlage für Reichfeldbeobachtungen dienen könnte. An der Stelle mal ein Danke an Michael für das unkomplizierte und kurzfristig anberaumte Abholen ;)
Natürlich hatte ich mich vorher schon ein bisschen über das Gerät schlau gemacht und kannte dementsprechend zumindest in der Theorie die Grenzen des Instruments. Beim ersten Auspacken und begrabbeln gefiel mir (zum ersten Mal!) die Anleitung, ich hatte ewig keine von einem Neugerät mehr in der Hand, vieleicht ist sie ja heute durchweg so gehalten, aber die doch recht detailreiche Schilderungen wie Berechnungswege zum wahren Gesichtsfeld über das scheinbare, sowie einige Worte zu AP und sogar ein Kapitel zur Wahl des richtigen Beobachtungsplatzes - klasse, gabs früher nicht oder nur in einem Nebensatz. Die Kollimationsanleitung ist, naja wie immer etwas kompliziert und für den Justageneuling sicher erstmal mehr verwirrungstiftend denn hilfreich, aber seis drum, es wird immerhin korrekt und breit erklärt. Die beiden Beipackokulare haben 25 und 10mm Brennweite, so genannte "Super" hinter denen sich m.W. Reversed Kellner verstecken, von einem Plössl meist bereits geschlagen sind es aber dennoch keine billigen Plastikokulare wie man sie ja doch manchmal noch findet...
Das Teleskop wiegt (habs eben nachgeblättert) unter 7kg, ich hätte es sogar nochmal 2kg leichter geschätzt als ich es das erste Mal in der Hand hatte, nichts woran man sich einen Bruch heben könnte. Das Packmaß ist genial klein und ich lehne mich sicher nicht zu weit aus dem Fenster zu sagen, dass der kleine in Sachen Schnelligkeit beim Aufbau vom Beifahrersitz aus wohl nur noch durch ein unmontiertes Fernglas zu schlagen ist!
Die Mechanik macht keinen schlechten Eindruck, eine Schraube sorgt für den nötigen Anpressdruck, eine weitere lässt die Prismenschiene auf die der Newton montiert ist in Beobachtungshöhe fahren. Zwei Schrauben am Tubus entlassen die beiden Stangen nebst Hut, alles sehr gut auch im Dunkeln zu machen wenn man es vorher mittags mal im Wohnzimmer "geübt" hat. Am Ende noch die Schutzkappe vom Hut nehmen und schon einsatzbereit - Halt, nicht ganz! Einen einfachen aber tauglichen Leuchtpunktsucher gibt es noch dazu, ich hatte ihn heute Mittag schon montiert, also entfield das Befestigen, das leider einen Schraubendreher benötigt, aber gut kann man ja durchaus dranlassen, macht das Gerät nicht wirklich größer und schon gar nicht schwerer.
Eigentlich dachte ich nicht, daß es mit dem Firstlight heute noch klappen würde, bin ich doch gnadenelos auf der Couch eingepennt... Als ich nach 22 Uhr aufwachte strahlten mich durchs Wohnzimmerfenster aber schon Sterne an und ich konnte nicht anders, als den Kleinen mal schnell auf dem Balkontisch aufzubauen und als erstes Objekt M13 einzustellen. Der Peiler war erstaunlicher Weise (okay eigentlich nicht erstaunlich, Michael hat ja sicher schon ordentlich damit beobachtet) schon gut ausgerichtet und die Justage war zwar nicht perfekt aber brauchbar. Hell und flockig strahlte mich der Kugelsternhaufen im 25mm Okular an, gleich das 10er rein und siehe da - Einzelsterne - und nicht zu knapp!
Das lies mir ja dann doch keine Ruhe, also fix das Gerät wieder in Ruhestellung gebracht und zusammen mit einem Kissen ab ins Auto und aufs benachbarte Feld. Der Himmel war sehr ordentlich für ortsnahe Verhältnisse und nach einem ersten kleinen Schnappschuss ging es ans Beobachten.
Die Haptik gefällt mir ausgesprochen gut, natürlich muss man auf dem Boden sitzen, aber bei den derzeitigen Temperaturen ist das keine Qual und man (ich) kann jede Position von Horizont bis Zenit bequem im Sitzen erreichen ohne sich groß zu verrenken. Die Konstruktion ist angenehm stabil, schwingt kaum nach und bleibt dank der Friktionsbremse auch immer sauber stehen. Ich hab jetzt nicht nachgeschaut, aber ich denke da ist überall feines Teflon verbaut, die Bewegungen sind feinfühlig und genau möglich. Das Einstellen der bekannten Standardobjekte gelang mir extrem gut, das macht natürlich die niedrige Konstruktion, selbst beim 8"er muss man zum Drehen und Einstellen halt mal aufstehen, das entfällt hier und bekannte Objekte kann man wirklich drei Sekunden nach der ersten Berührung im Okular haben.
Die Sternabbildung fand ich im 25mm mehr als akzeptabel, die Justage war wie schon erwähnt nicht perfekt, denke aber das geht für niedrige Vergrößerungen definitiv klar. Zwar wird er als beugungsbegrenzter Parabolnewton angepriesen, aber einige Focaulttests von Stathis lassen auf viele Ausreisser nach unten (auch unter die Beugungsgrenze) schliessen da viele keine vollkommene Parabel erreicht haben, aber auch einige bessere Exemplare gibt es durchaus - was ich da jetzt vor mir habe, kann ich natürlich nicht so einfach mit den beiden Okularen ermitteln. Es ist sicher kein Gerät mit dem man freudvoll bei 200x Planeten beobachten kann, für meinen Verwendungszweck - niedrigste Vergrößerungen zwischen 20 und sagen wir mal 40-fach - sollte das nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Was viel eher eine Rolle spielen wird ist der Streulichtschutz. Zwar hat der Heritage eine rudimentäre Blende am Hut verbaut, die ist aber weder besonders matt noch besonders groß, hier werde ich sicher mal als erstes tätig werden. Die Okulare sind auch nicht ordentlich geschwärzt, beim ersten Eintauchen in die Milchstraße zeigten sich schon Spiegelungen heller Sterne im Okular.
Der Okularauszug ist ein sehr einfacher Drehfokussierer, der wohl den labberigsten Teil des Teleskops darstellt. Er ist jetzt kein Nogo bei den eingesetzten Vergrößerungen aber er ist nunmal auf 1,25" beschränkt - einen Tod muss man bei diesem Preis halt sterben. Ich denke auch es ist eher unwahrscheinlich da ohne Riesenaufwand etwas aufzurüsten, deshalb liegt hier bereits der Bleistift um in den nächsten Monaten wenn ich Zeit finde mindestens einen komplett neuen Hut zu konstruieren, dann mit 2" OAZ, anderer Spinne und auch entsprechendem Fangspiegel. Aber um es mal für diejenigen auf den Punkt zu bringen, die das Gerät mit etwas weniger Anspruch an die Richfieldmöglichkeiten einfach out-of-the-box nutzen möchten: Weder Hut noch OAZ sind wirklich Schund, den man nicht nutzen könnte!
Was leistet das Gerät denn nun? Ich habe mir eine ganze Reihe von Standard Objekten vorgenommen und möchte sie einfach mal kurz zusammengefasst beschreiben. Wer die Objekte aus anderen Geräten kennt, kann ja dann in etwa einschätzen wo das Gerät leistungsmässig liegt.
NGC 6910 - 26x
Sehr schönes Sternfeld um Sadr, der kleine Sternhaufen sticht aus der Sternfülle hervor.
M 27 - 26x
Der Hantelnebel ist hell und kann in seiner Form bereits erfasst werden
65x
Die Hantelform ist überdeutlich, noch erhebliche Lichtreserven.
NGC 7000 - 26x
Ohne Filter trotz hoher AP und leidlich dunklem Himmel nicht ganz einfach, aber doch sicher zu sehen - wenn man weiss wo er liegt... kein 1,25" Filter zur Hand
NGC 6960 (Sturmvogel, Cirrus) - 26x
Ohne Filter schon recht gut auszumachen, leider kein Filter zur Hand, lässt sich bereits über einen riesigen Bereich des Gesichtsfeldes verfolgen
M 71 - 65x
Es blitzen bereits reichlich Einzelsterne
h+x Persei - 26x
Optimales Objekt für die niedrige Vergrößerung, Sternketten im Inneren aber trotzdem schon gut sichtbar.
M31/32/110 - 26x
Trotz des niedrigen Standes ist die Galaxie ein Genuss, gesichtsfeldfüllend mit ihren beiden Begleitern, erstes Staubband einfach, zweites mit einigem Augenverbiegen zu erkennen
NGC 404 - 65x
Sichtbar aber nicht zu einfach, weil Mirach immer noch zu nah steht bei dieser Vergrößerung
M13 - 26x
Stark gemottelter, heller Fleck, die unregelmäßige Form ist bereits klar auszumachen und abzugrenzen
65x
Bereits REICHLICH Einzelsterne zu sehen, zentrumsnah bleibt ein diffuser Bereich, hätte ich dem Gerät echt nicht zugetraut
M 57 - 26x
bereits bei dieser Vergrößerung gut von einem Stern zu unterscheiden
65x
Ringform ist auszumachen, hier muss aber natürlich höher vergrößert werden um wirklich mehr zu sehen - kein passendes Okular zur Hand.
M 51 - 26x
Beide Galaxienkerne bereits auszumachen und abzugrenzen
65x
Die ersten Ansätze der Spiralstruktur von NGC 5194 sind gut zu sehen, hier ist auch noch genug Licht um höher zu vergrößern.
Mir hat es auf jeden Fall einen Riesenspaß gemacht damit über den Himmel zu sausen und die Abbildungsleistung (unter Berücksichtigung der Okulare und des Justagezustands) hat mir sehr gut gefallen. Mein Fazit nach der ersten kurzen Nacht: Dieses Teleskop ist definitiv KEIN Spielzeug sondern wirklich eine schöner Ergänzung. Ob ich es jetzt jemandem als ERSTteleskop raten würde? Ich weiss es nicht... Ich habe bemerkt, daß doch erheblich mehr damit geht, als ich erst einmal angenommen habe (mein letztes Teleskop dieser Größe ist schon einige Jahre her), ein Allrounder ist es wegen seiner Optikqualitätsproblematik sicher nicht unbedingt, auch wenn man sicher schon etwas am Planeten sehen kann - zumal wenn man ordentlich justiert und ein gutes Exemplar erwischt. Die Mechanik und Haptik finde ich rundum gut gelungen, mit einem kleinen "Aber" in Sachen OAZ, aber lieber ein minimal wackliger Drehfokussierer als ein Plastikzahntrieb der ewig weit in den Tubus ragt... und damit es nicht falsch verstanden wird: Der OAZ verstellt sich nicht von alleine, lediglich während des Scharfstellens wackelt die Auflage etwas, NICHT aber das Teleskop, ein sehr feinfühliges Scharfstellen bei ruhigstehenden Sternen ist möglich, das macht schon extrem viel aus und unterscheidet den Heritage von allen anderen Teleskopen dieser Preisklasse, die ich kennengelernt habe, da wackelt nämlich das komplette Teleskop und macht das Scharfstellen zum Ratespiel ;)
Schauen wir also, was aus dem schönen Minidobson noch wird, den Kauf habe ich nach der heutigen Nacht definitiv nicht bereut
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen